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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Tansman - Klaviermusik
Eliane Reyes

(2014)
Naxos

• • • •

Alexandre Tansman - Klaviermusik

Kühl, distanziert, distinguiert

von Rainer Aschemeier  •  26. Februar 2014
Katalog-Nr.: 8.573021 / EAN: 747313302178

Das Leben Alexandre Tansmans war ein ständiges Auf und Ab. Begonnen hatte der in Polen geborene Tansman als Klavierstudent in der Industriestadt Łódź. 1919 siedelte er nach Paris über und sorgte mit seiner Musik, die Tradition und Moderne auf das Interessanteste verquickte, für viel Aufsehen. Bis weit in die 1920er-Jahre galt Tansman als Berühmtheit seiner Zeit. Sein Name wurde in einem Atemzug genannt mit denen Strawinskys, Ravels oder Milhauds.

In den 1930er-Jahren unternahm Tansman eine große Welttournee, was zeigt, wie sehr sich sein Ruhm inzwischen ausgebreitet hatte. Auch in den USA hatten seine Kompositionen inzwischen Fuß fassen können. Lange Zeit schien aber der Jude Alexandre Tansman die heraufziehende Katastrophe der 1940er-Jahre zu ignorieren. Vielleicht hatte er die Hoffnung, seine Popularität würde ihn vor den Repressalien der Nazi-Schergen in Frankreich schon irgendwie bewahren. Doch dem war nicht so.

In einer überstürzten Nacht-und-Nebel-Aktion floh Tansman 1941 zunächst nach Südfrankreich, danach nach Portugal und von dort aus schließlich in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Wie viele Komponisten hatte auch Tansman sich von den USA mehr erhofft, als sie zu geben bereit waren. Ähnlich wie Bartók war Tansman bestürzt darüber, dass mit „ernster Musik“ in den USA kaum Geld zu verdienen war.
Er schloss sich der großen Fraktion derer an, die sich mit der Komposition von Filmmusik verdingten. Tansman teilte dieses Schicksal etwa mit den bedeutenden Komponisten Erich Wolfgang Korngold oder Ernst Toch – neben zahllosen anderen.

Kein Wunder, dass Alexandre Tansman den USA bald wieder den Rücken kehrte und 1946 wieder nach Frankreich kam. Doch im Nachkriegsfrankreich waren nun andere federführend. Neben radikalen Neuerern wie Pierre Boulez oder Iannis Xenakis sah sein zu einem Gutteil noch in Chopins Musik wurzelnder und ansonsten hauptsächlich von Strawinsky, Gershwin und Ravel beeinflusster Stil plötzlich buchstäblich ziemlich alt aus. Als Tansman 1986 starb, galt er als praktisch vergessene Musikgröße längst vergangener Tage.

In den letzten Jahren wurde viel unternommen, um das Werk dieses Komponisten wieder im Musikleben zu verankern. Nicht zuletzt das Naxos-Label hat sich mit bislang drei hochgradig gelungenen CD-Alben dabei mächtig ins Zeug gelegt. Nun folgt ein viertes Album des Labels mit einer Auswahl der Klaviermusik Tansmans.
Ob diese Scheibe viele neue Tansman-Fans generieren wird, darf bezweifelt werden. Tansmans Klaviermusik ist eine ziemlich spröde, anspruchsvolle Musik, die sich nicht leicht erschließt. Bemerkenswert ist die Bandbreite dieses Komponisten, der von unverkennbar polnischen Einflüssen wie etwa Chopin oder Szymanowski bis hin zu Poulenc und populärem Jazz offenbar alles in seine Musik eingebaut hat, was ihn zwischen etwa 1930 und 1950 klanglich umgab. Diese Zeitspanne nämlich hat sich die belgische Klaviersolistin Eliane Reyes für ihr Tansman-Recital ausgesucht.
Für die kühle, stets etwas distanziert, vielleicht auch distinguiert wirkende Musik Tansmans ist sie sicherlich eine gute Interpretin. Mit hervorragender Spieltechnik und äußerster Akkuratesse wuselt sie sich durch diese sehr schwierig ausführbare Musik. Manchmal hätte man sich etwas mehr Zugang in Form von dynamischer Raffinesse und phrasierungsmäßiger Eleganz gewünscht. Alles in allem ist Reyes‘ Vortrag jedoch gelungen und hält auch einem Vergleich mit vielleicht namhafteren Interpreten mühelos stand.
Ein sehr gelungener Sound tut sein Übriges dazu, dass dieses Album alles in allem einen positiven Gesamteindruck hinterlässt.

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