Go to content Go to navigation Go to search

The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

F. Mendelssohn Bartholdy - Kammermusik für Streicher Vol. 3
Mandelring Quartett, Quartetto di Cremona

(2013)
audite / Vertrieb: edel:kultur

• • • • •

Felix Mendelssohn Bartholdy - Kammermusik für Streicher Vol. 3

Mendelssohn in Perfektion

von Rainer Aschemeier  •  23. Oktober 2013
Katalog-Nr.: audite 92.658 / EAN: 4022143926586

Das Mandelring Quartett zählt ganz ohne Zweifel zu den besten Qartettvereinigungen in Deutschland, wenn nicht gar in der Welt. Mit seinen zahlreichen Einspielungen für Qualitäts-Labels wie cpo, wergo und audite hat das Quartett eine begeisterte und hartnäckige Gefolgschaft für sich gewinnen können, die an dem Quartett vor allem die über mittlerweile fast drei Jahrzehnte anhaltend auf äußerst hohem Niveau stehende Qualität schätzen, aber auch ihre „Unbestechlichkeit“ in Sachen Anspruch.

Für seinen Schostakowitsch-Zyklus auf audite wurde das Mandelring Quartett rund um den Erdball ganz zurecht gefeiert. Beinhaltete dieser doch gleichermaßen Spontanität und Frische sowie eine beinahe schon unheimlich anmutende Perfektion in Sachen Technik und Rhythmik.

Seit einiger Zeit arbeitet das Quartett aus der Pfalz an einem Mendelssohn-Zyklus, der erneut bei den Hifi-Tonmeistern von audite das Licht der Welt erblickt. Hierfür gelten ähnliche Trademarks, wie für das Mandelring’sche Schostakowitsch-Schaffen: Verve und Emotion paaren sich mit technischer Brillanz und makelloser Perfektion.

Hinzu kommt, dass das Mandelring Quartett einen ganz unverwechselbaren Sound hat. Es ist eines der wenigen Quartette, das klingt, als sei es größer besetzt. Nicht selten ertappt man sich bei dem Gedanken, dass etwa die Mandelring’sche Tieftonabteilung (Bratschist Roland Glassl und Cellist Bernhardt Schmidt) zuweilen klingt, wie die tiefen Streicher eines kleinen Kammerorchesters.

Drei der Musiker sind Geschwister, was dazu führt, dass eine Menge Leute dahingehend argumentieren, wenn die Sprache auf die außerordentliche Qualität und Genauigkeit des Zusammenspiels kommt. Was dabei aber oft vergessen wird, sind die Ewigkeiten gemeinsamen Übens und Musizierens, ohne die auch die festesten Familienbande nicht zu musikalischen Höchstleistungen führen.

Kommen wir aber zurück zum aktuellen Album: Mendelssohns Streichquartett Op. 44, Nr. 3 sowie zwei der Vier Stücke für Streichquartett, Op. 81 stehen hier auf dem Programm. Das zentrale Werk der SACD ist aber das hoch berühmte – und im Übrigen wegen seiner Aufführungsprobleme gefürchtete – Oktett für zwei Streichquartette Op. 20, welches das Mandelring Quartett auf dieser SACD zusammen mit dem Quartetto di Cremona eingespielt hat.

Nirgendwo lassen sich die enormen Qualitätsansprüche des Ensembles aus Neustadt an der Weinstraße besser ablesen als bei diesem Mendelssohn-Oktett, das wir in so vielen furchtbaren Einspielungen schon hören konnten, dass man die wenigen Guten wirklich mit der Lupe suchen muss.
Wo liegt bei diesem Stück das Problem?
Ein Oktett aus zwei Streichquartetten ist rein besetzungsmäßig bereits so groß, dass man die Aufstellung der Musiker wohl bedacht wählen muss. Denn sonst kann es passieren, dass die Musiker an der linken Bühnenseite buchstäblich nicht wissen/hören/sehen, was die Musiker an der rechten Bühnenseite gerade so treiben.
Als weiteres „Problem“ kommt Mendelssohns Komposition hinzu, die zu den technisch anspruchsvollsten Oktetten überhaupt gehört.
Es kommt daher nicht selten vor, dass wir das Stück von Kammerorchestern mit Dirigent musiziert bekommen, da das Stück ohne Dirigent vielen Ensembles an der Grenze des Machbaren erscheint.

Das Mandelring Quartett löst diese große Aufgabe in Partnerschaft mit dem Quartetto die Cremona derart souverän, dass man darüber solche Schwierigkeiten glatt vergessen könnte. Vorbildlich ist hier die Phrasierung, makellos erneut Rhythmik, Einsätze, Intonation. Selten hat in den letzten Jahren Mendelssohns Streichoktett auf (SA)CD vitaler und im positiven Sinne musikalischer geklungen als hier.

Es ist schade, dass der Mendelssohn-Zyklus des Mandelring-Quartetts im Vergleich zu seinem Schostakowitsch-Zyklus in der Berichterstattung durch die Presse weniger zu „zünden“ scheint. Dass es nicht an der Qualität liegt, die – wie soeben dargelegt – erneut höchstklassig ist, dürfte klar geworden sein. Leider aber hat die Mendelssohn’sche Kammermusik keine so fanatische Gefolgschaft wie Schostakowitschs Kompositionen, leider schätzt man das Genie Mendelssohns, das manche seiner (zum Teil deutlich namhafteren) Zeitgenossen überragte, hierzulande noch immer relativ gering. Daran hat leider auch das „Mendelssohn-Jahr“ 2009 nicht viel geändert. Im Gegensatz zu Schumann und Liszt, die in Sachen Popularität und Anerkennung von ihren kurz zurückliegenden Jubiläen sehr profitieren konnten, ist es trotz größter Anstrengungen nicht gelungen, auch Mendelssohn zu größerer Reichweite zu verhelfen.

Es wäre zu wünschen, dass sich das ändert. Und Kammermusikzyklen, wie der vom Mandelring Quartett tragen dazu hoffentlich ihr Scherflein bei.

Stöbern

Verwandte / ähnliche Artikel:

Archiv

Alle Reviews können im Archiv nachgeschlagen werden. Dort ist auch eine gezielte Suche möglich.