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The Listener

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"Kajanus conducts Sibelius" Vol. 3
London Symphony Orchestra / Helsinki Philharmonic Orchestra - R. Kajanus

(2013)
Naxos historical

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"Kajanus conducts Sibelius" Vol. 3

Die dritte und spannendste Folge der sensationellen Naxos-Edition mit historischen Kajanus-Aufnahmen

von Rainer Aschemeier  •  9. Februar 2013
Katalog-Nr.: 8.111395 / EAN: 747313339525

Und zum Dritten…

Bereits an dieser Stelle sowie an dieser Stelle hatte ich über die tolle Veröffentlichungsreihe „Kajanus conducts Sibelius“ geschrieben. Ich erspare mir hier also die bereits gegebenen Hintergrundinformationen rund um die Aufnahmegeschichte und den Dirigenten und komme gleich zur Sache.

Die dritte und letzte Folge in dieser aufregenden Naxos-Edition dürfte diejenige sein, auf die die meisten Sibelianer gewartet haben. Hier dirigiert Kajanus nämlich die im bereits „reifen“ Sibelius-Stil geschriebenen Sinfonien Nr. 3 und 5.
Dabei gibt es auch hier wieder Überraschungen. So nimmt Kajanus etwa das beliebte „Andantino“ aus der dritten Sinfonie so langsam, wie zumindest ich das kaum je einmal irgendwo anders gehört habe. Besonders interessant ist dazu die Booklet-Information, dass gerade dieser Satz in enger Absprache zwischen Dirigent und Komponist so angelegt wurde.
Sollte das also eine jener Stellen sein, weswegen diese Aufnahmen so berühmt sind, eine jener Stellen, die das persönliche „Imprimatur“ von Jean Sibelius tragen?
In jedem Fall ist die Interpretation der Dritten auf dieser CD eine sehr interessante Sache, denn während der erste und dritte Satz der Sinfonie so musiziert werden, wie man es auch heute noch gewohnt ist, steht Kajanus‘ Deutung des zweiten Satzes in meinen Augen veröffentlichungshistorisch einzig da.

Etwas anders verhält es sich bei der fünften Sinfonie, die in meinen Augen den vielleicht schwächsten Beitrag im sonst durchweg überzeugenden Kajanus-Historienbuch darstellt. Relativ konventionell, ehrlich gesagt, wenig spannend, kaum mitreißend dirigiert und vom London Symphony Orchestra des Jahres 1932 stellenweise nicht sehr gut gespielt, ist diese Aufnahme die einzige, die ich im gesamten Zyklus nicht als Referenz bezeichnen würde.

Spannend ist auch die zusätzliche, quasi als „Bonus“ dreingegebene Aufnahme eines Kuriosums, nämlich des „Finnischen Jägermarschs“ Op. 91 Nr. 1, der wohl selbst eingeschworenen Sibelianern kaum oder gar nicht bekannt sein dürfte.
Er erklingt hier in einer 1928 mitgeschnittenen Aufnahme aus Berlin, wo Robert Kajanus seinerzeit das von ihm gegründete Helsinki Philharmonic Orchestra dirigiert.
Dieser Umstand ist natürlich höchst interessant, denn es war diese Kombination aus Dirigent und Orchester, welche viele Uraufführungen der Sibelius-Sinfonien aus der Taufe gehoben hat. Es soll Sibelius-Jünger geben, die es bedauern, dass Kajanus in den 1930er-Jahren die Sibelius-Sinfonien mit dem Royal Philharmonic und dem London Symphony Orchestra eingespielt hat – und eben nicht mit seinem Orchester aus Helsinki, das als das Uraufführungsorchester in Sachen Sibelius gilt.
Nachdem man diese Trouvaille aus der sibelianischen Klamottenkiste gehört hat, kann man aber nur „dem Himmel sei Dank“ ausrufen, dass Kajanus sich damals mit den Briten zusammengetan hat und nicht mit seinen Landsleuten. Das Helsinki Philharmonic, heute ein Orchester von Weltrang, war 1928 ein Ensemble, das nach heutigen Maßstäben noch nicht einmal auf dem Niveau semiprofessioneller Regionalensembles musiziert hat. Da quietschen die Geigen, die Einsätze stimmen nicht, das Blech haut mal ordentlich daneben. Gruselig!
Stellt man sich vor Augen, dass es dieses Orchester war, das Sibelius‘ durchaus komplexe Sinfoniepartituren in Erstaufführung gegeben hat, mag man sich das Ergebnis wahrlich nicht vorstellen.

Fazit: Ein qualitativ ambivalenter, aber wieder höchst interessanter Abschluss der bei Weitem interessantesten Reihe mit historischen Aufnahmen, die seit Jahren bei Naxos erschienen ist. Auch hier kann man übrigens nur wieder den Hut ziehen vor der fantastischen Restaurationsarbeit von Mark Obert-Thorn, der diese Aufnahmen klingen lässt, als seien sie erst 20 Jahre später entstanden. Diese Aufnahmen klingen in Anbetracht ihrer frühen Entstehungszeit in Obert-Thorns Überarbeitungen einfach sensationell frisch, vital und gut. Diesem Herrn gehörte eine Art „Welterbe“-Orden verliehen, denn diese Aufnahmen sind tatsächlich nicht mehr und nicht weniger als ein kulturelles Menschheitserbe.

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