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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

R. Schumann - Fantasiestücke Op. 12; Kreisleriana Op. 16 / J. Brahms: Thema u. Variationen
Imogen Cooper

(2013)
chandos / Vertrieb: note 1

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Robert Schumann - Fantasiestücke Op. 12 / Kreisleriana Op. 16; Johannes Brahms: Thema und Variationen (1859)

very british and very ladylike

von Rainer Aschemeier  •  6. Februar 2013
Katalog-Nr.: CHAN 10755 / EAN: 095115175521

Imogen Cooper hat bei den ganz Großen studiert: Paul Badura-Skoda, Jörg Demus, Alfred Brendel… die Liste ließe sich fortsetzen. Bereits in den 1970er-Jahren spielte sie an der Seite ihres Lehrers Brendel die Konzerte für zwei und drei Klaviere von Wolfgang Amadeus Mozart mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter Sir Neville Marriner ein.
Etwas später entwickelte sie sich zur passionierten Schubert-Interpretin und hat eine ganze Reihe von Aufnahmen seiner Klaviermusik vorgelegt. Auch als Schumann-Interpretin ist sie schon seit vielen Jahren bekannt.

All das liest sich beeindruckend, doch wenn man die Sache einmal näher betrachtet, ist festzustellen, dass Imogen Coopers Karriere nie so richtig „durchgestartet“ ist. Mir ist es ein Rätsel, woran das liegt, denn ich persönlich habe noch nie eine schlechte Cooper-Einspielung gehört. Eher ist das Gegenteil der Fall…

Im Alter von bald 65 Jahren unternimmt sie noch einmal einen Neuanfang und veröffentlicht ihre erste Solo-CD beim britischen Label chandos. Das Programm ist vor allem auf Robert Schumann ausgerichtet und beinhaltet die „Fantasiestücke op. 12“ sowie die „Kreisleriana“ op. 16. Als trennendes beziehungsweise verbindendes Element (ganz wie man will) zwischen beiden Stücken stehen Brahms‘ „Thema und Variationen“ aus dem Streichsextett Nr. 1 op. 18, die einst als „kleiner Gruß“ zum 41. Geburtstag für Clara Schumann vom Komponisten für Klavier transkribiert worden waren.

Die „Fantasiestücke“ eröffnen die CD und bilden auch gleich das Highlight der gesamten Einspielung. Imogen Coopers sehr kultivierter, eleganter Ton passen wunderbar zu diesen romantischen Stücken, die die Pianistin weit weniger ungestüm nimmt, als manch anderer Interpret. Und – Überraschung – die pianistische Zurückhaltung tut den Stücken gut. Cooper betont schlüssig die melodischen, durchaus auch romantischen Aspekte der Musik und gelangt zu sehr überzeugenden Ergebnissen. Man könnte zwar argumentieren, dass sie nicht alles an dynamischen Extremen aus der Partitur herauskitzelt, aber sie setzt andere Akzente, die andere Pianisten bei Schumann manchmal vernachlässigen. So finde ich zum Beispiel ihre Phrasierung geradezu vorbildlich.
Und das gilt auch für ihren Brahms-Vortrag, der unter ihren Händen zu einem Musterbeispiel an Kultiviertheit gerät. Allerdings offenbart sich hier auch etwas, was dann etwas später bei Schumann’s „Kreisleriana“ zum Problem wird: bei den sehr schwierig zu spielenden Stellen tendiert Cooper dazu, an Persönlichkeit einzubüßen. Alles wird sehr korrekt ausgearbeitet – und das geschieht manchmal etwas auf Kosten der Emotionalität des Vortrags.

Spätestens bei den „Kreisleriana“ ist es dann auffällig, dass Imogen Cooper die Extreme scheut. Es ist nun einmal ein Stück der Kontraste und der eng nebeneinander co-existierenden Farben und Schattierungen – und dieser Umstand macht die „Kreisleriana“ ja auch so faszinierend. Wer es hier versteht, bei allem spieltechnischen Anspruch die emotionale Komponente dieses (ich hatte es schon einmal geschrieben) in meinen Augen herrlichsten Stücks Klaviermusik nach Beethoven freizulegen, der kann hier von kontemplativer Ruhe über verzweifelte Sehnsuchtsschreie bis hin zu unverhohlener Grimmigkeit ein pianistisches Feuerwerk entfachen, das man nie wieder vergessen kann.
Imogen Cooper hingegen bietet die Kreisleriana erneut mit einer Art „brischem Understatement“ dar – sehr ladylike, sehr korrekt… aber, mal ehrlich gesagt, auch ein wenig langatmig. Letzteres nicht zuletzt auch deswegen, weil sie (wie einst Alfred Brendel) ein eher zurückgenommenes Tempo für ihren Vortrag gewählt hat. Übrigens – und das ist für mich durchaus rätselhaft – gerät bei diesem Stück auch ihre sonst so phänomenale Fähigkeit zur zusammenhängenden Phrasierung ins Wanken.

Fazit: Eine CD mit äußerst starkem Beginn („Fantasiestücke“), einem ebenfalls guten Brahms und einer zwar „adretten“ und korrekten, insgesamt aber zu zahmen Variante der „Kreisleriana“. Der Sound ist chandos-typisch gut, allerdings auch chandos-typisch mit relativ viel Hall ausgestattet.

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