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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Honegger - Sinfonien Nr. 1 & 3 "Liturgique"
Sinfonieorchester Basel - D. Russell Davies

(2012)
SOB (Sinfonieorchester Basel) / Vertrieb: Naxos

• •

Arthur Honegger - Sinfonien Nr. 3 "Liturgique" & 1

Katalog-Nr.: SOB02 / 4260313810024

von Rainer Aschemeier  •  1. November 2012

Sehr sehr aufgeregt war ich wegen der Nachricht, dass es einen neuen Zyklus der Sinfonien des Schweizers Arthur Honegger geben würde. Nicht, dass das soooo etwas Besonderes wäre. Immerhin ist inzwischen weithin bekannt, dass Honegger zu den herausragenden Sinfonikern des 20. Jahrhunderts zählt, der in einem Atemzug mit Größen wie Schostakowitsch oder Martinů genannt werden sollte.

Doch dass dieser neue Zyklus unter dem Dirigat von Dennis Russell Davies stattfinden würde, das war für mich der eigentliche Grund, um in Jubel auszubrechen. Russell Davies ist immer für eine Spitzenleistung gut, gilt als Spezialist für Neue und Alte Musik gleichermaßen, lebt schon seit den 1980er-Jahren in den deutschsprachigen Ländern und ist seit der Saison 2009/10 Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel.
Alle Zeichen standen also günstig für eine herausragende Neueinspielung der Honegger’schen Meisterwerke. Diese sind inzwischen zwar oft, aber oft genug nicht besonders gut auf CD gebannt worden. Selbst Namen, die sonst für Qualität stehen, wie etwa Charles Dutoit oder Christopher Hogwood, haben rätselhafterweise nur eher mittelmäßige Einspielungen des bedeutenden Sinfonieschaffens des Schweizer Komponisten abgeliefert.
Als Referenz gilt die – leider unvollständige, aber wahrlich geniale – Einspielung der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan (Deutsche Grammophon) sowie die immer noch sehr teure Gesamtaufnahme der Tschechischen Philharmonie unter Leitung Serge Baudos (Supraphon). Während Erstere nun einmal nicht komplett ist (Karajan dirigierte nur die zweite und die dritte Sinfonie Honeggers) und Letztere arg in die Jahre gekommen, könnte als moderne Referenz der hervorragende CD-Zyklus des Lübecker Sinfonieorchesters unter Leitung des Schweizers Roman Brogli-Sacher gelten, wenn, ja, wenn der Aufnahmeklang dort nicht nur suboptimal wäre.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wie schlägt sich Davies mit seinen Baselern? Auch die Antwort fällt kurz aus: Leider ebenfalls nur mittelmäßig.
Dennis Russell Davies gibt einen gewissermaßen „entschlackten“ Honegger, den er vom spätromantischen Erbe zu befreien und eher neoklassizistisch auszuleuchten versucht. Diesen interessanten Ansatz hatte Anfang der 2000er-Jahre bereits Christopher Hogwood versucht – und war damit zu eher mediokren Ergebnissen gelangt. Das Problem: Honegger ist nun einmal tief in der Spätromantik geerdet, auch wenn der harte Kern seiner immens dichten Sinfonien klar expressionistisch ist. Nimmt man den dramatischen Honegger-Werken ihre spätromantische Patina, beraubt man sie ihrer Seele. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Das soll nicht heißen, dass Davies und das Sinfonieorchester Basel nun keinen Sinn für sinfonische Dramatik hätten. Im Gegenteil: In der Dritten schwingt sich das Orchester zu manch grandiosem Klimax auf, klingt aber (nicht zuletzt auch der wenig ansprechenden Tontechnik wegen) trotzdem frappierend dünn und tatsächlich auch etwas konzeptlos. Ein ziemlich verhangener, dichter Aufnahmeklang, der in den Tiefen dünn wirkt und in den Höhen schrill, macht die Sache nicht besser.

Wie ganz anders ging da einst Karajan zu Werke: Leidend, schleppend, betonschwer, die ganze Last des Krieges mit sich tragend, den Symbolgehalt dieser zutiefst innigen Musik mit jeder Note ausleuchtend…
Und Davies? Bei ihm und seinen Baselern wirkt manches ehrlich gesagt, nun ja, routiniert. Somit kann ich nicht verhehlen, dass ich enttäuscht bin – zumal es bei der Einspielung von Honeggers Erster nicht besser wird. Eher ist das Gegenteil der Fall, da es bei der Darbietung der ersten Sinfonie plötzlich auch merkliche spieltechnische Schwächen im Orchester zu geben scheint. Das Sinfonieorchester Basel hinterlässt auf dieser ersten Veröffentlichung auf dem orchestereigenen Label ohnehin nicht den besten Eindruck.

Fazit: Sehr, sehr schade! Ich bin sowohl ein großer Honegger- als auch ein großer Davies-Fan. Doch diese unausgegorene CD-Einspielung wird beiden leider nicht gerecht. Wir werden wohl weiter auf eine moderne Honegger-Referenz warten müssen. Diese hier ist es jedenfalls nicht.

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