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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Nocturnes
Michael Landrum

(2012)
Sono Luminus / Vertrieb: Naxos

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Nocturnes

Mit Michael Landrum auf den Spuren des musikalischen Nachtstücks

von Rainer Aschemeier  •  30. Oktober 2012
Katalog-Nr.: DSL-92158 / EAN: 053479215826

In der ominösen Welt der Klavierminiaturen gab und gibt es Mini-Genres, die es quasi nirgendwo anders gibt. Oft existieren sie unter dem Tarnmantel von Tanzbezeichnungen wie etwa „Polonaise“ oder „Ecossaise“, usw. Aber es gibt auch die sogenannte „Bagatelle“, die – spätestens seit Beethoven wissen wir’s – oft alles andere als Bagatellcharakter hat und viele weitere, meist ziemlich schwammige Bezeichnungen.
Zu den schwammigsten, aber auch geheimnisumwittertsten zählt das Nocturne – zu deutsch etwa: Nachtstück. Es wurde im 19. Jahrhundert kreiert, und zwar nicht, wie viele denken, von Frédéric Chopin, sondern von niemand Geringerem als dem genialen irischen Komponisten John Field. Dieser Schumann-Freund und seinerzeit hoch geschätzte John Field war sowohl als Pianist, als auch als Komponist aktiv. Hervorragende, massiv unterschätzte und ungerechtfertigterweise heute kaum noch bekannte Klavierkonzerte sind von ihm erhalten, und… naja, ich kann aus dem Schwärmen kaum hinausfinden, wenn ich den Namen John Field erwähne, den ich seit Jahr und Tag gebetsmühlenartig zu erwähnen pflege, wenn ich nach klassischer Musik gefragt werde, „die es sonst noch so gibt“. Dies also gleich zu Beginn: John Field hören!

Und zwar nicht nur das diese famose Doppel-CD eröffnende Nocturne Nr. 4 in A-Dur, sondern auch bitteschön alles andere. Aber hier stellt Fields Nocturne gleich die richtige Stimmung her, jene unbestimmte Mischung aus nächtlicher Kühle und empfindsamer Emotion, jene geheimnisvolle Nähe des Unnahbaren, kurz: all jenem, was ein gescheites Nocturne eben so ausmacht.

Der hier zu hörende Pianist Michael Landrum wird im beiliegenden Booklet-Text als Fachmann auf dem Gebiet des Nocturne beschrieben – und das glaubt man vom ersten Ton dieser CD an. Es ist nicht nur ein ungemein vielschichtiges und faszinierendes Repertoire, das Landrum für diese insgesamt 32 Nocturnes verschiedener Komponisten und Zeitalter umfassende Doppel-CD ausgewählt hat, er hat es halt auch einfach in den Fingern, das Nocturne. In der Tat entpuppt sich Michael Landrum mit seinem legatostrotzenden, hoch emotionalen Spiel als der i d e a l e Interpret für die hier vorgestellte Musik.
Diese Doppel-CD ist somit nicht nur das Optimum, um sich in die faszinierende Welt des Nocturne einzufinden, sondern sie zeigt auch, wie sich die „Gattung“, der Blick auf das musikalische Nachstück im Laufe der auf John Field folgenden Jahre und Jahrhunderte entwickelt hat. Dabei gab es so stilvolle Sachwalter des Nocturnes, wie etwa Frédéric Chopin, der sicherlich die bekanntesten und beliebtesten Beiträge zum globalen Nocturne-Schaffen beigesteuert hat, Claude Debussy, Clara Schumann, Jean Sibelius, Sergej Rachmaninoff und – hört, hört! – Aaron Copland und Ralph Vaughan Williams. So stilvoll, wie die soeben Genannten mit Fields Erbe umgegangen sind, so grässlich haben andere das Nocturne mit Füßen getreten. Namen nenne ich hier nicht, nur so viel: Auch solche Beispiele gibt es – löblicherweise! – auf dieser CD.

Neben vielen, vielen Altbekannten trifft man auf dieser faszinierenden Nocturne-Schau auch Komponisten, die man heute als praktisch unbekannt verschollen melden muss, so etwa der US-Amerikaner Charles Thomlinson Griffes, der hier einen der besonders eindringlichen Beiträge beisteuerte, der aber zumindest hierzulande wohl kaum jemandem bekannt sein dürfte – obwohl es von diesem Komponisten eine umfassende Werkschau beim Naxos-Label gibt.

Ich könnte hier das Schwärmen weiterführen, aber der Kern der Sache bliebe doch gleich: Diese CD ist einfach wunderbar! Rundum und ohne Abstriche!
Michael Landrum ist der ideale Interpret für dieses Repertoire und im Übrigen ein vorzüglicher Pianist, dessen Stil jede Menge Tiefgang und Klasse hat und uns erstmal wieder vor Ohren führt, wie viele gesichtslose Pianisten dort draußen sonst so CDs einspielen. Wie beim HiFi-Label Sono Luminus zu erwarten war, ist der Klang hervorragend und erfüllt auch höchste Ansprüche. Dem Thema angemessen ist Landrums Klavier mit schön viel Raumklang eingefangen worden, der aber nicht auf Kosten der akustischen Auflösung geht, und so glitzert hier das Piano, wie ein Mondstrahl auf einem nächtlich verhangenen See. Wunderschön! Dies ist eine CD, die man nie wieder hergeben möchte, wenn man sie erstmal hat. So viel steht fest!

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