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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

What's It All About
Pat Metheny

(2011)
Nonesuch (Warner)

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Pat Metheny - What's It All About

Metheny als Fan

von Rainer Aschemeier  •  4. Juli 2011
EAN: 0075597964707

Beinahe jedes Jahr beglückt Gitarrist Pat Metheny sein Publikum mit einem neuen Album. Und obwohl man Metheny in einschlägigen Musiklexika und selbst in der wikipedia in der Regel unter „Jazz“ einsortiert findet, gibt es doch kaum einen Musiker, der das Schubladendenken á la Lexikon mehr ad absurdum geführt hat, als er. Der US-Amerikaner rekrutiert seine Fans schon seit langem aus allen möglichen Lagern – egal, ob Rockfans, Jazzer, passionierte Klassikhörer, Folkbarden oder Gelegenheits-Musikhörer: Irgendwie finden alle Metheny gut.

Diese enorme (und in den letzten Jahren noch einmal deutlich ausgebaute) Breitenkompatibilität ist es aber auch, die manche Kritiker Pat Metheny vorwerfen. Gelegentlich ist dann von kommerziellem Ausverkauf die Rede oder von „Anbiederei“. Was soll man dazu sagen?
Sicher wird Methenys neuestes Album „What’s It All About“ erneut Öl auf das Feuer dieser Nörgler gießen, denn es handelt sich hierbei um ein Album, das ausschließlich aus Coverversionen mehr oder weniger berühmter Popsongs besteht. Darunter finden sich hinlänglich bekannte Standards wie etwa „The Sound of Silence“ von Simon and Garfunkel oder „And I Love Her“ von den Beatles ebenso wie weniger bekanntes Ausgangsmaterial, so etwa das vom unaushaltbar käsigen 60’s-Standard zur wunderschönen Akustikballade umgeformte „Cherish“ von „The Association“. Metheny pflegt auf diesem Album einen extrem zurückgenommenen Sound, der in aller Regel lediglich mit Gitarre und Fretless Bass einhergeht (ganz am Anfang ist auch die speziell für Metheny entworfene, ziemlich abgefahren klingende 42-saitige „Picasso-Gitarre“ zu hören). Die bekannten Melodien der verwendeten Pop-Perlen werden Metheny-typisch ornamentiert und in leisest möglicher Art kunstvoll durch den Wolf gedreht. Heraus kommen Interpretationen, die mich in Herangehensweise und Endergebnis an das ähnlich gelagerte Album „The Melody At Night With You“ von Keith Jarrett denken lassen. Auch dieses Album war eine Zusammenstellung von gecoverten Klassikern aus dem Popbereich und kam soundmäßig ähnlich zurückgenommen daher.

„What’s It All About“ ist eine äußerst stimmungsvolle, intime Angelegenheit; Kritiker würden wahrscheinlich gern noch das Wörtchen „sentimental“ ergänzen wollen, doch das möchte ich nicht recht durchgehen lassen. Ja, natürlich, es ist wahr, dass „What’s It All About“ ausschließlich langsame, getragene und durchaus mit einiger Melancholie gesegnete Songs enthält, doch wer würde das Lamento an sich musikalisch infrage stellen wollen? Es ist seit Anbeginn ein fester Bestandteil der Musik aller Kulturen und ein Grundbedürfnis des Menschen. Das neue Metheny-Album profitiert vielmehr davon, indem die klug ausgewählte Zusammenstellung der Songs einen Grad an emotionaler Geschlossenheit mit sich bringt, die das Album nicht als bloße Songsammlung dastehen lässt (was bei Coveralben immer eine Gefahr ist), sondern als veritables Gesamtkunstwerk.

Sicherlich ist „What’s It All About“ nicht eben Methenys innovativste Platte — genau so wenig, wie „The Melody At Night…“ Keith Jarrets innovativste Platte war. Doch das Album atmet eine sehr persönliche Note. Man spürt, dass die Neuinterpretation dieser Songs für Metheny eine Herzensangelegenheit war, und so spricht aus diesen neuen Versionen auch eine große Leidenschaft: Die Bewunderung eines Musikers für die Songs anderer Musiker — und seine Würdigung, die er diesen Songs durch eine mehr als kunstvoll zu nennende Interpretation angedeihen lässt. Ich finde, das ist weder unkreativ noch platt, sondern es hat meiner Meinung nach großen Respekt verdient; denn der, der sich da vor den Songs anderer freiwillig verbeugt, müsste das ja nicht tun. Er ist vielmehr selbst oben auf. Und das macht „What’s It All About“ zu einer großen musikalischen Geste. Und ganz nebenbei gesagt, ist die Umsetzung auch ganz großartig gelungen — viel, viel besser, als bei manchen ähnlich gelagerten Cover-Alben anderer Jazzgrößen. Ich denke da zum Beispiel an das ebenfalls ambitionierte aber ziemlich missratene letzte Herbie Hancock-Album „The Imagine Project“. Da spielt Metheny einfach in einer ganz anderen Liga.

Was den Sound betrifft: Der Sound ist genau so genial, wie auf Methenys ECM-Scheiben. Braucht es mehr Worte?

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