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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

"Furtwängler conducts Beethoven"

Der Klang stimmt!

von Rainer Aschemeier  •  31. Januar 2013
Katalog-Nr.: CD-4049 / EAN: 017685404924

„Furtwängler conducts Beethoven“ steht groß über der neu beim Label „Music & Arts“ erschienenen Box mit insgesamt vier CDs. Nun reißt eine solche Box selbst eingeschworene Fans der Dirigentenlegende kaum noch vom Hocker. Zu inflationär sind inzwischen die Furtwängler’schen Beethoven-Zyklen am Markt. War eine bislang unentdeckt gebliebene Furtwängler-Aufnahme einer Beethoven-Sinfonie früher stets eine kleine (oder sogar mittlere) Sensation, über die auch schon mal die Fachpresse berichtete, sorgen solche Meldungen heute kaum noch für Gemütsregungen.

Das liegt durchaus nicht nur daran, dass man heute geradezu die Qual der Wahl hat, für welchen der zahlreichen verfügbaren Furtwängler-Zyklen man sich entscheiden will, sondern es liegt auch daran, dass einfach sehr viel auf den Markt geworfen wurde, was man ehrlich gesagt kaum noch mit Genuss hören konnte, weil es einfach von technisch so minderwertiger Aufzeichnungsqualität war, dass wohl selbst die ganz begeisterten Furtwängler-Fans sich diesen Aufnahmen nur unter Anstrengungen längere Zeit aussetzen können.

Nun, diese Box ist anders. Wie beim qualitativ oft überzeugenden Label für historische Aufnahmen „Music & Arts“ zu erwarten war, erhalten wir hier eine sehr gute Restaurationsqualität in Überarbeitungen aus den Jahren 1999-2012 und zudem ein phänomenal informatives, auf 31 Seiten klein bedrucktes Booklet, das auch für diejenigen, die schon alles über Furtwänglers Beethoveninterpretation zu wissen glaubten, noch etwas Interessantes bereithält – und das umfasst nicht zuletzt auch selten gezeigtes historisches Bildmaterial!

Und da hier nun einmal der Klang im Vordergrund steht, nicht die Vollständigkeit, bekommen wir mit dieser Box leider auch keinen vollständigen Sinfonien-Zyklus. Es fehlen die Sinfonien Nr. 1, 2 und 8. Stattdessen gibt es die „Coriolan“-Ouvertüre und die beliebte „Leonore 3“-Ouvertüre als Zugabe. Die Aufnahmen aus den Jahren 1942 bis 1944 sind durchwegs Livemitschnitte, entweder aus der alten Berliner Philharmonie oder aus dem Wiener Musikvereinssaal – womit sich die Angabe erübrigen dürfte, welche Orchester Furtwängler hier dirigiert.

Zwar gibt es auch bei dieser Box durchaus Qualitätsunterschiede beim Aufnahmeklang, doch liegen alle Einspielungen in durchaus auch für „Nicht-Historiker“ genussfähig zu nennender Qualität vor und sind bei einigen Aufnahmen (so etwa bei der die Box eröffnenden Dritten oder bei der hier in Anbetracht des frühen Aufnahmedatums unglaublich gut klingenden Fünften) sogar ganz bemerkenswert gut.

Sich über Furtwänglers Interpretationen hier auszulassen, hieße Eulen nach Athen tragen. Ganze Bücher sind schon darüber geschrieben worden. Die hartnäckigen Furtwängler-Fans werden sich nicht von ihrem Idol abbringen lassen, auch wenn man ihnen zehnmal unter die Nase riebe, wie er im ersten Satz der Dritten die Tempi verschleift, wie er auf geradezu lächerliche Weise die berüchtigte Fermate im weltberühmten Eröffnungsthema der Fünften in die Länge zieht, wie er die Neunte gar mit Glissandi (!) musizieren lässt (als wäre sie etwa eine Sinfonie von Gustav Mahler), wie er die Tempi in der Sechsten nach Lust und Laune (nicht aber nach Partiturtext) dehnt und wieder strafft, wie er ganz allgemein und überall ziemlich willkürlich „rubatisierend“ Beethoven zu dem macht, für das ihn die Fans lieben und die Kritiker bemängeln: Zu seiner ganz eigenen Vision.
Diese Furtwängler-Eigenheiten sind sicherlich mitreißend und können den Stücken viel Spannung verleihen. Vor allem sind sie aber, und das darf man nicht aus den Augen verlieren, nicht notengetreu und wirken daher meiner Meinung nach oft verfälschend.

Es wird aber wohl kaum jemanden geben, der einen im besten Sinne neutral dirigierten Beethovenzyklus erwartet, wenn er einen solchen ausgerechnet von Furtwängler erwirbt.

Lange Rede kurzer Sinn: Furtwängler-Fans werden hier glücklich, weil der Klang stimmt. Alle anderen sollten Beethoven erst einmal in einer zeitgemäßen Interpretation hören, bevor sie zu Furtwängler greifen. Ich rate da zum Beispiel zu dem wunderbaren Beethovenzyklus des Netherlands Symphony Orchestra unter Jan Willem de Vriend.
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CD-Infos:

„Furtwängler conducts Beethoven“
(4-CD-Box)
Label: Music & Arts / Vertrieb: note 1
Katalog-Nr.: CD-4049
EAN: 017685404924
Erscheinungsjahr: 2013

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