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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

G. Gershwin - Porgy and Bess
San Francisco Opera - J. DeMain; E. Owens, L. Mitchell u.a.

(2014)
EuroArts

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George Gershwin - Porgy and Bess

Augen auf, Ohren zu! Porgy and Bess aus San Francisco - ein Drama der besonderen Art

von Rainer Aschemeier  •  26. März 2014
Katalog-Nr.: 2059634 / EAN: 880242596345

Es ist eine Hochglanzproduktion sondergleichen, und noch eine Marktnovität dazu: Gershwins „Porgy and Bess“ in der luxuriös-opulenten Inszenierung Francesca Zambellos erscheint nun erstmals überhaupt auf DVD und Blu-ray.

Legt man die Scheiblette in den Player, ist man sofort gefangengenommen von den faszinierenden Bühnenbauten, die einen historisch in die USA des frühen 20. Jahrhunderts beamen.
Wir finden uns in der Catfish Row in einem Fischerviertel in den Südstaaten wieder, wo es hoch hergeht: Glücksspiel ist hier ebenso an der Tagesordnung wie Drogenmissbrauch, aber es rufen auch Prediger Reuige zur „Umkehr“ auf. In all diesem Trubel geschieht ein grausamer Mord. Es ist die Initialzündung für die Beziehung zwischen dem Lahmen Porgy und dem „leichten Mädchen“ Bess.

Doch die Opernhandlung ist ja weithin bekannt. Besonders an dieser Aufnahme sind die absolut herausragenden sängerischen und vor allem schauspielerischen Leistungen der Mitwirkenden, darunter (luxuriös prominent besetzt) Eric Owens als Porgy und Laquita Mitchell als Bess. Mit dieser Crew wird die Oper zum Krimischauplatz, die Gershwin-Oper wird zum äußerst spannenden Genrestück.

So weit die guten Nachrichten. Es gibt aber auch schlechte.

Warum hat der Kunde diese Blu-ray erworben und nicht irgendeinen Südstaatenspielfilm? Richtig, wegen der Musik.
Während es an der, zwar etwas routinierten, Interpretation des Orchesters der San Francisco Opera unter Leitung John DeMains weiter nichts zu meckern gibt, ist der Aufnahmeklang, der aus den heimischen Lautsprechern kullert kurz und knapp gesagt eine Katastrophe.

Folgendes ist passiert: Man hat eine Oper live aufgenommen, das ursprünglich höchstwahrscheinlich aufgrund der Live-Aufnahmesituation mit einigen Dynamikschwankungen behaftete Tonmaterial erschreckend lieblos und ziemlich radikal durch den Kompressor geschickt und das dann wahrscheinlich schon völlig verhunzte klangliche Ergebnis noch lautstärkemäßig so „normalisiert“ – sprich: aufgeblasen –, dass sowohl Sänger als auch Orchester in den vielen lauteren Momenten dieser Oper nah am Clipping oder sogar darüber sind. Das heißt im Klartext: Der Klang dieser Produktion ist in meinen Augen keine professionelle Qualität.
Es ist ein entsetzliches Digitalgeplärre, das mich – auch, wenn das natürlich überspitzt formuliert ist – an die selige Grammophonära erinnert, als die Schallplatten auch aufnahmetechnisch bei den lauten Parts einer Partitur übersteuert haben. Der Unterschied ist allerdings: Früher ging es nicht anders. Heute schon.

Hätte man diesem vorzüglichen Opernereignis auf Blu-ray nur einen einzigen qualifizierten Tonmann gegönnt und sich dafür vielleicht einen von den gefühlt 40 Kameraleuten gespart, wäre diese Blu-ray eine warme Empfehlung für jeden Opernfreund.
So aber ist sie für jeden, der bei einer Oper nicht nur das Bild sehen möchte, sondern sich auch einen hochklassigen Sound wünscht, ein stetes Ärgernis.
Ich gebe zu, dass sich der Klang dieser Disc im Laufe der Aufführung etwas bessert, doch insgesamt betrachtet wäre diese Produktion, wäre sie „nur“ als aktueller Livemitschnitt auf CD erschienen, von allen audiophilen Kritikern in der Luft zerrissen worden. Aber es ist ja eine Blu-ray. Da ist der Sound ja nicht so wichtig. Wir wollen ja die Oper sehen. Welcher Schelm denkt da ans gute, gewissenhafte Hören!

Der Slogan des Labels EuroArts „Listen with your Eyes“ ist deshalb nicht nur eine ungelenke Phrase, die unfreiwillige Komik versprüht, sondern bei dieser DVD-/Blu-ray-Produktion steht der Satz auch als eine Art von „Mahnmal“: Kaum ist ein HD-Bild dabei, meint die Produktionsfirma, dass der Käufer brav die Ohren ausschaltet, wenn nur das Bühnensetting opulent und das HD-Bild scharf genug ist.
Ich glaube, dass das ein gedanklicher Kurzschluss ist. Und wenn sich manche Labels wundern, warum Oper auf Blu-ray noch immer keine weitere Verbreitung gefunden hat, so müssen sich einige unter ihnen doch erst einmal selbst an die eigene Nase fassen und vernünftig klingende Aufnahmen produzieren.

Denn auch wenn man beim Lesen der Tageszeitungsfeuilletons manchmal einen anderen Eindruck bekommen könnte: Die Optik ist sekundär! Bei Oper geht es in allererster Linie um Musik, um musikalische Interpretation. Und somit sollte dort immer der Hauptfokus der Aufmerksamkeit liegen, auch bei Bildaufnahmen. Während das qualitätsbewusste Konsumenten schon lange wissen, kratzen sich die Produzenten seit Jahren am Kopf und fragen sich, wie sie mehr Leute zum Kauf ihrer optisch regelmäßig neue Rekorde brechenden Operninszenierungen bewegen könnten.

Die Antwort darauf sind klanglich so hanebüchen gemasterte Exemplare wie diese neue Porgy-and-Bess-Einspielung, die ein typischer Fall von „es hätte so schön sein können, wenn…“ ist. Und solche Fälle bleiben einem im Leben eben besonders nachhaltig im Gedächtnis. Besonders dann, wenn der Kunde den doppelten oder fast dreifachen Preis einer handelsüblichen CD-Produktion dafür berappen soll.
Liebe Produzenten, Ihr wollt mehr Blu-rays verkaufen? Dann macht beim Sichten Eures Masteringmaterials mal für eine halbe Stunde die Augen zu. Wenn’s dann immer noch gut ist, habt ihr ein Produkt mit dem ihr Kunden gewinnt – nur dann!

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