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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

...back to the roots! - Armenian Classics
Württem-bergisches Kammerorchester Heilbronn - R. Gazarian, V. Mamikonian (Klavier)

(2013)
Bayer Records / Vertrieb: note 1

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...back to the roots - Armenian Classics

Ruben Gazarian auf der Spur seiner armenischen Musikwurzeln

von Rainer Aschemeier  •  1. Februar 2014
Katalog-Nr.: BR 100 399 / EAN: 4011563103912

Über das Württembergische Kammerorchester Heilbronn und seinen Leiter Ruben Gazarian habe ich an anderer Stelle schon geschrieben (nämlich hier), sodass ich mir die lange Schilderung der Hintergründe zu diesem Orchester, das ich für das derzeit vielleicht beste Kammerorchester in Deutschland halte, an dieser Stelle erspare. Eine Notiz aber vielleicht doch: Ruben Gazarian, der langjährige Chefdirigent der Heilbronner, ist gebürtiger Armene.

Und das erklärt wohl auch den Titel der neuesten CD-Produktion des Heilbronner Orchesters: “...back to the roots – Armenian Classics“. Wir hören auf diesem spannenden Album Musik von Eduar Mikajeli Mirzojan, Arno Babajanyan, Aram Khatschaturjan und Tigran Mansurian. Während man über Khatschaturjan nicht viele Worte verlieren muss – seine Balletsuiten zu „Gayaneh“ und „Spartakus“ sind ja weithin bekannt, darunter vor allem natürlich der furiose „Säbeltanz“ -, sind die anderen Komponisten auf dieser CD hierzulande praktisch unbekannt.

In Sachen Tigran Mansurian hatte ich 2012 im Rahmen des damaligen Recital-Albums der armenischen Pianistin Marianna Shirinyan schon einmal etwas geschrieben. Mansurian scheint einer der wichtigen Musikpädagogen Armeniens gewesen zu sein, weswegen seine Schüler, die heute die Podien der Welt erobern, mit Vorliebe seine Stücke spielen.
Auf dieser CD erklingt Mansurians „Fantasie für Klavier und Streichorchester“. Von allen auf dieser CD vorgestellten Komponisten ist Mansurian sicherlich der modernste. Doch ähnlich wie seinerzeit auf dem Album Marianna Shirinyans vermag mich sein unentschlossener, zwischen Tonalität und Atonalität schwankender Stil nicht so richtig zu begeistern.

Viel interessanter finde ich da schon Eduard Mirzojans Sinfonie für Streicher und Pauke aus dem Jahr 1962. Sie ist ganz unzweifelhaft einem großen Vorbild verpflichtet, nämlich Dmitri Schostakowitsch. Wer Schostakowitsch liebt, wird auch dieses schöne Stück in sein Herz schließen. Mirzojans kecke Sinfonie steht musikalisch irgendwo zwischen Mjaskowksis Sinfoniettas und Schostakowitschs „Kammersinfonien“ (also den von Rudolf Barschai für Streichorchester umarrangierten Streichquartetten Schostakowitschs). Die Mirzojan-Sinfonie ist ein wirklich begeisterndes, frisches und sehr spannendes Werk, das wahrlich Lust auf mehr macht. Gibt es noch mehr Mirzojan-Sinfonien? Ich für meinen Teil würde sie sehr gerne hören!

Mit zwei Klavierstücken Arno Babajanyans („Elegie“ und „Poème“) haben wir dann noch Musik auf dieser CD, die man als eine Art „armenischer Gershwin“ bezeichnen könnte: Irgendwie impressionistisch, aber auch unverkennbar Jazz-beeinflusst. In „Poème“ wird noch ein wenig Mussorgski’sche „Baba Yaga“-Haftigkeit versprüht und gezeigt, dass sich Babajanyan auch der im engeren Sinne avantgarditsichen Neuen Musik zugetan fühlte. Ich finde beide Stücke sehr schön und wäre auch hier bereit, deutlich mehr hören zu mögen.
Klaviersolist Vardan Mamikonian (ebenfalls Armenier) spielt diese Musik mit viel Liebe zum Detail, großem technischen Können und mit Hingabe. Man spürt, dass hier in Ruben Gazarian und Vardan Mamikonian Musiker am Werk sind, die nur zu gerne bereit sind, die Musik der Komponisten ihres Landes auf einer repräsentativen CD-Kompilation vorzustellen.

Der abschließende, auf diesem Album für Klavier umarrangierte „Säbeltanz“ von Khatschaturjan wirkt hier in meinen Augen etwas unglücklich. Nicht nur macht die Transkription für Klavier im Vergleich zu Orchesterfassung einfach einen schwächeren Eindruck, sondern man könnte meinen, die Macher dieser CD hätten mit diesem Stück eine Art „Alibi-Bonus“ abgeliefert, den es – zumindest unter qualitativen Gesichtspunkten – zu dieser an sich schon fabelhaften Produktion nicht gebraucht hätte.

Fazit: Wir haben hier ein rundum gelungenes, übrigens auch klangtechnisch ganz hervorragend aufgenommenes Album, bei dem abschließend wieder einmal ein großes Hörerdankeschön an das tapfere Schneiderlein unter den deutschen CD-Labels gehen muss, nämlich an Bayer Records aus Bietigheim-Bissingen, die nicht aufhören, uns mit spannenden und guten Produktionen zu zeigen, wie aufregend und vielseitig die Welt der so steif genannten „ernsten Musik“ sein kann. Hoffentlich haben dieses Label und ihr Chef noch einen langen Atem für weitere so schöne und Neugier erweckende Produktionen wie diese!

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