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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

"Il viaggio"
Marianna Shirinyan

(2012)
Solo Musica / Naxos

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Marianna Shirinyan - "Il Viaggio"

Musik von Franz Liszt, Alban Berg, Wolfgang Amadeus Mozart und Tigran Mansurian

von Rainer Aschemeier  •  22. September 2012
Katalog-Nr.: SM 173 / EAN: 4260123641733

Die armenischstämmige Pianistin Marianna Shirinyan ist einigen Sammlern vielleicht bereits von ihren Kammermusikaufnahmen bei EMI Classics bekannt. Dort hatte sie zusammen mit der norwegischen Stargeigerin Vilde Frang und dem Cellisten Andreas Brantelid ein Chopin-Album aufgenommen.

Für ihr erstes Recital-Album scheint sich die majorlabelerfahrene Künstlerin aber gedacht zu haben: Lieber eine Nummer kleiner, dafür auch lieber etwas feiner. Und was gibt es derzeit Feineres, als das bayerische Mini-Label „Solo Musica“, das in schöner Regelmäßigkeit durch CDs auf sich aufmerksam macht, die nicht nur künstlerisch sondern auch klanglich höchsten Ansprüchen genügen.

Auch Shirinyans Solo-Debüt mit dem Titel „Il viaggio“ macht da keine Ausnahme: Bevor man überhaupt mitbekommt, was da gerade musikalisch abgeht, ist man schon beeindruckt von einem sensationell hochaufgelösten, brillanten, räumlich perfekt eingefangenen Klaviersound. Wow! So eine grandios klingende Klaviermusikaufnahme hört man nicht alle Tage…

Aber Marianna Shirinyan weiß auch, wie sie Ihr Publikum packen muss, wie sie ihm den Atem raubt. Und atemberaubend ist Franz Liszts „Dante“-Fantasie zweifellos. Das technisch irrwitzig schwierige Stück aus Liszts „Années de pelerinage“ wird von der armenischen Pianistin scheinbar mühelos und zudem immens kraftvoll vorgetragen. Überhaupt gefällt mir ihr Spiel bei diesem knapp zwanzigminütigen Liszt-Stück sowie dem folgenden „La lugubre gondola (II)“ – ebenfalls von Liszt – am besten. Shirinyan scheint diese Musik einfach „in den Fingern“ zu haben. Wunderbar!

Auch Alban Bergs leider zu selten gespielte Klaviersonate op. 1 erfährt in der Interpretation Marianna Shirinyans eine sehr gute Wiedergabe. Es erstaunt, wie wandlungsfähig ihr Anschlag ist, wie sie es versteht, den gerade noch gehörten, spätromantischen Liszt-Sound in einen stärker expressionistisch aufgeladenen Hochglanzklang umzuformen.

Den folgenden Mozart-Vortrag, die bekannte Sonate C-Dur KV 330, finde ich hingegen weniger überzeugend. Shirinyan müht sich hier, neben der ausgedehnt zelebrierten Spätromantik auch noch etwas historisch informierte Aufführungspraxis einzuschmuggeln. Doch leider klingt es auch so: bemüht. Nicht, dass Shirinyan etwa Schwierigkeiten hätte, den spieltechnischen Anforderungen des Stücks zu genügen – ihr Liszt war ja ein ganz anderes Kaliber… -, doch hört man, wie sie mit der Mozart’schen Rhythmik kämpft, wie sie es will, dass es sowohl leicht und locker klingt, als auch den Anforderungen des letzten Stands der Aufführungspraxis genügen soll. Und dieses Wollen ist leider nichts, was Mozarts Musik gut verträgt – im Gegenteil.

Abschließend folgen die „Three Pieces for the Low Keys“ des armenischen Komponisten Tigran Mansurian. Spannende, einfalls- und abwechslungsreiche Stücke sind das. Mansurian hat sich hier einer spannenden Selbstbeschränkungsidee unterworfen, indem er die tiefen Tasten des Klaviers in seinen drei spannenden „Pieces“ einmal zur Hauptsache erklärt hat, während die hohen Register in für unsere „festgefahrenen“ Ohren eher ungewohnter Art und Weise die Begleitung übernehmen.

Marianna Shirinyan ist anzumerken, dass sie diese Stücke nicht nur aus dem effeff kennt, sondern vor allem auch sehr mag. Als zeitgenössischer Komponist kann man sich solch hingebungsvolle, gut gespielte Einspielungen wohl nur wünschen.

Fazit: Das abwechslungsreiche Solo-Debüt von Marianna Shirinyan hat sehr viel zu bieten. Besonders hervorzuheben sind die herrlichen Liszt- und Berg-Interpretationen, aber auch die neo-expressionistischen „Three Pieces“ von Tigran Mansurian haben ihre Reize und verdienen die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums. Mit ihrer Mozart-Lesart kann mich Shirinyan hingegen nicht gewinnen. Erstaunlich ist es da für mich, dass Ihr nächstes Projekt, das sich bereits in Vorbereitung befindet, augerechnet eine CD mit Klavierkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart werden soll…

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