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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

F. Liszt - Ungarische Rhapsodien 1-6
Orchester Wiener Akademie - M. Haselböck

(2013)
cpo / Vertrieb: jpc.de

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Franz Liszt - Ungarische Rhapsodien 1-6 (orch.)

"The Sound of Weimar" - continued!?

von Rainer Aschemeier  •  17. Juli 2013
Katalog-Nr.: cpo 777 797-2 / EAN: 761203779727

Er ist es! Der unnachahmliche Sound des Orchesters Wiener Akademie unter Martin Haselböck.

Moment mal! Kennen wir das nicht? Bringen wir das nicht mit irgendeinem griffigen Slogan in Verbindung?
Korrekt: „The Sound of Weimar“ hieß die fünfteilige CD-Reihe, die Haselböck mit seinem „Originalklang“-Orchester für das NCA-Label eingespielt hatte (Rezension dazu siehe hier). Diese Reihe war das womöglich engagierteste und vielleicht auch beste Aufnahmeprojekt, das im Liszt-Jahr 2011 seinen Anfang nahm.
Hohes und höchstes Lob (nicht in allen Fällen berechtigt) konnte das Orchester Wiener Akademie einheimsen. In allen Ecken Europas hatten Martin Haselböcks Mannen nach Originalinstrumenten aus Liszts Zeit gefahndet. Mehr noch! Vielmehr hatte man es auf die Instrumente abgesehen, die in Liszts Weimarer Orchester original gespielt worden sind.

Es kam dabei – vor allem was die Blasinstrumente angeht – zu aufsehenerregenden Entdeckungen: Instrumente mit ganz anders gearteten Mechaniken, als wir sie heute kennen kamen zum Einsatz und klangen – welche Wunder – auch ganz anders, als man bis dato Liszt „im Ohr“ hatte.

Haselböck fand auch heraus, dass Liszts Orchester in Weimar durchschnittlich nur mit 30 bis 40 Musikern besetzt war. Er probierte das Experiment aus und kreierte so einen viel helleren, durchhörbareren Liszt-Klang, der so gar nichts mehr zu tun hatte mit dem Karajan-Brei, dem Solti-Donner oder dem Bernstein-Pomp, den man aus den vergangenen Jahrzehnten zwar kennen aber kaum schätzen gelernt hatte.

Keine Frage: Martin Haselböck und das Orchester Wiener Akademie haben Liszts Orchestermusik rehabilitiert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie mit intensiven musikwissenschaftlichen Forschungen nachgewiesen haben, dass Liszt offenbar weit mehr Werke selbst orchestriert hat, als es bislang angenommen worden war. Haselböck hat also auch Liszt selbst rehabilitiert.
Jedem, der diese NCA-Aufnahmen nicht kennt, jedem, der denkt, Liszt sei piefige, größenwahnsinnige Musik, dem sei dringendst angeraten, sich die „The Sound of Weimar“-Reihe anzuhören. Sie hat das Liszt-Bild nachhaltig geändert!

Nun erscheint überraschend bei jpc’s firmeneigenem cpo-Label eine Gesamtaufnahme der Ungarischen Rhapsodien in der Fassung für Orchester, die Liszt bekanntermaßen gemeinsam mit dem Flötisten Franz Doppler orchestrierte – in der Einspielung des Orchesters Wiener Akademie unter Martin Haselböck. Ursprünglich war diese CD wieder unter dem Titel „The Sound of Weimar“ angekündigt gewesen, und zwar als deren sechster Teil. Irgendetwas muss aber hinter den Kulissen stattgefunden haben, denn nun liegt das Album leibhaftig vor mir, und von „The Sound of Weimar Vol. 6“ ist zumindest auf dem Cover nicht mehr die Rede. Stattdessen gibt es nur einen recht unscheinbaren Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Reihe am linken Rand im CD-Tray-Hintergrund.

Wie dem auch sei, die Einspielung folgt dem bisherigen Muster: Liszts Musik wird zunächst entschlackt und in kleineren Besetzungen dargeboten und dann dynamisch und rhythmisch einer Verjüngungskur unterzogen. Es ist kaum zu glauben, was für ein schlankes, agiles Stück dabei plötzlich aus der als verstaubten Boliden wahrgenommenen Ungarischen Rhapsodie Nr. 2 geworden ist. Oder man höre sich auch die dritte Rhapsodie an mit ihren Cimbalom-Solo-Parts. Das bekommt so nur Martin Haselböck mit seinem Orchester hin.

Ich gehe so weit zu behaupten, dass diese hervorragende Neuerscheinung die bei weitem beste in der „The Sound of Weimar“-Serie ist, seit 2011 die Dante-Sinfonie bei NCA erschienen ist. Insofern ist diese Aufnahme unverzichtbar für all jene, die der Reihe bislang die Stange gehalten haben. Und für alle, die neu zu Haselböcks Fangemeinde hinzukommen, sind die Ungarischen Rhapsodien ein wahrlich gelungener Einstieg.
Glückwunsch an cpo, dass man sich diese Perlen sichern konnte. Im selben Atemzug wünschen wir uns nun bitteschön auch noch die Faust-Symphonie.

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