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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Merikanto - Sinfonie Nr. 2 / "Ekho"
Turku Philharmonic Orchestra - P. Sakari

(2013)
Alba / Vertrieb: Klassik Center Kassel

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Aarre Merikanto - Sinfonie Nr. 2 / "Ekho"

Liebens-würdige Musik in Weltersteinspielung

von Rainer Aschemeier  •  7. Juni 2013
Katalog-Nr.: ABCD 351 / EAN: 6417513103519

So ziemlich jeder, der sich als ernsthafter Fan der skandinavischen Sinfonik betrachtet, dürfte etwas mit den Namen Aulis Sallinen und Einojuhani Rautavaara anzufangen wissen.
Doch wer kennt Rautavaaras und Sallinens Lehrer Aarre Merikanto?
Und wer weiß, dass Aarre Merikanto selbst bei Max Reger studiert hat?

Hier offenbart sich also eine höchst interessante Verbindung ausgehend von Max Reger über Aarre Merikanto bis hin zu Einojuhani Rautavaara. Das ist doch höchst faszinierend! Und fast niemand nimmt Notiz davon. Also ist es höchste Zeit, dass wir uns einmal mit Aarre Merikanto beschäftigen – und mit dem „wir“ meine ich weniger die Redaktion von the-listener.de, als vielmehr uns alle, die wir uns für klassische Musik begeistern.

Anlass zu dieser Beschäftigung bietet die Weltersteinspielung von Aarre Merikantos zweiter Sinfonie beim finnischen Label Alba. Schon die Weltersteinspielung der ersten Merikanto-Sinfonie bei Alba im letzten Jahr ließ aufhorchen.
Die zweite Sinfonie – geschrieben 1918 – ist aber noch einmal eine Spur interessanter. Was für einen merkwürdigen Sinfoniker dieser Merikanto doch abgibt! Er scheint sich, vom traditionellen viersätzigen Aufbau seiner zweiten Sinfonie abgesehen, nicht so arg viel um die Konventionen der symphonischen Praxis zu kümmern.

Seine zweite Symphonie wirkt sprunghaft, manchmal sogar flatterhaft, wechselt recht unbekümmert und unvorhergesehen ihr Temperament – auch innerhalb der einzelnen Sätze. Mehrmaliges Hören ist unbedingte Voraussetzung, um hier überhaupt so etwas wie einen Aufbau oder eine Struktur erkennen zu können. Was allerdings gleich beim ersten Hören positiv auffällt, ist das Gespür des Komponisten für tolle Melodien und einprägsame Themen. Wirkt der aufbrausende erste Satz noch etwas plakativ, lässt schon das an zweiter Stelle stehende Scherzo eine individuelle Handschrift erkennen.
Am schönsten ist für mich das an dritter Stelle stehende Largo, das wirklich aufhorchen lässt und mit seiner merkwürdig sinistren Stimmung womöglich als einer der spannendsten langsamen Sätze in der nordischen Sinfonietradition bezeichnet werden kann.
Das abschließende Allegro con brio greift nicht nur die wuchtige Stimmung des ersten Satzes wieder auf, sondern auch dessen einprägsames Hauptmotiv, sodass uns das Gefühl vermittelt wird, dass sich hier ein Kreis schließt.

Die gesamte Sinfonie ist äußerst unterhaltsam und hat zumindest mir einen beachtlichen Hörgenuss beschert. In mancher Hinsicht erinnert mich Merikantos Sinfonie in ihrer inneren Unausgeglichenheit in Verbindung mit unwiderstehlichem Melodienreichtum an die musikalische „Sprache“ eines Kurt Atterberg. Auch Anklänge an die britischen Sinfoniker, wie etwa Ralph Vaughan Williams oder Arnold Bax kann man ohne Mühe heraushören.
Das einzige, was ich nun beim besten Willen nicht aus dieser Musik herauszufiltrieren vermag, ist ein Max Reger-Einfluss. Das einerseits ist schon etwas merkwürdig. Es stört aber andererseits auch nicht weiter.

Fans der skandinavischen Musik und ruhig auch Fans der britischen Spätromantik sei diese Aufnahme mit sinfonischer Musik Aarre Merikantos wärmstens ans Herz gelegt. Das Turku Philharmonic Orchestra bringt unter Petri Sakaris Leitung eine gute Leistung. Sakari hatte vor einigen Jahren schon mit seinem Sibelius-Zyklus mit dem Sinfonieorchester aus Island auf Naxos gezeigt, was für ein großartiger Dirigent nordischer Sinfonik er ist. Bis heute ist dieser Sibelius-Zyklus für mich einer der weitaus besten (und übrigens auch wesentlich spannender, als der aktuelle Naxos-Sibelius-Zyklus mit Pietari Inkinen).
Da es bei Alba stets auch einen amtlichen Aufnahmeklang gibt, der im hoch auflösenden SACD-Format sehr schön voll und satt aus den Boxen kommt, gibt es an diesem Album fast nichts auszusetzen.

Merikanto war sicherlich kein „Erstliga-Komponist“ – auch nicht im Vergleich mit den skandinavischen Kollegen, aber er hatte ein Gespür für einprägsame und wirkungsvolle Melodien, Themen und Motive. Das ist im Wortsinne liebens-würdige Musik. Alba kann man nur gleichermaßen danken und beglückwünschen, dass sie uns diese sinfonischen Raritäten in qualitätvollen Darbietungen zugänglich gemacht haben.

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