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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

W. Braunfels - Große Messe op. 37
Staatsorchester Stuttgart, Staatsopernchor Stuttgart, Knabenchor collegium iuvenum - M. Honeck

(2013)
DECCA / Vertrieb: Universal Music

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Walter Braunfels - Große Messe op. 37

Unverhofft, doch höchst willkommen!

von Rainer Aschemeier  •  25. Mai 2013

Erst vor wenigen Wochen hatte ich bei the-listener.de die großartige Wiederveröffentlichung des „Te Deum“ von Walter Braunfels auf dem Acanta-Label vorgestellt. Nun gibt es unverhofft (aber höchst willkommen) schon wieder qualitativ hochwertigen „Nachschub“ für alle Braunfels-Fans – und erneut erscheint damit ein Hauptwerk aus Braunfels’ Œuvre mit geistlicher Musik.
Und was für eine tolle Veröffentlichung das ist! Das Staatsorchester Stuttgart, der Staatsopernchor Stuttgart und der Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart interpretieren hier unter der Leitung von Manfred Honeck – seines Zeichens Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra – die „Große Messe“ op. 37. Das Solistenensemble ist ähnlich qualitativ hochwertig besetzt: Simone Schneider begeistert mit ihrem kraftvollen, stets intonationssicheren Sopran, Attila Jun mit einem nicht minder kraftvollen Bass, Matthias Klink mit einem weniger „heldenhaft“ als vielmehr lyrisch eingefärbten Tenor und Gerhild Romberger mit einer vergleichbar lyrischen Altstimme.

Braunfels’ „Große Messe“ birgt einen ähnlich gewaltigen spätromantischen Klangrausch wie sein „Te Deum“, ist aber allein schon von der Besetzung her eher noch etwas bombastischer angelegt und besitzt mit einer Aufführungsdauer von rund 80 Minuten auch die passenden „Ausmaße“, um der wuchtig-süffigen Musik ein ebenso üppiges Forum zu geben.
Solche Mammutwerke im Aufnahmestudio zu realisieren, ist allein schon aus finanziellen Gründen heutzutage kaum noch möglich – zumal ja erschwerend hinzu kommt, dass Walter Braunfels nicht gerade der „zugkräftigste“ Name ist und als Solcher der DECCA (als ausführendem Label) wohl kaum exorbitante Verkaufszahlen verspricht. Dass die renommierte Majorfirma aus dem Universal-Konzern immerhin mit dieser Live-Aufnahme das Wagnis trotzdem eingeht, verdient einigen Respekt. Und das übrigens nicht zum ersten Mal. Immerhin hatten die Briten schon Braunfels‘ „Die Vögel“ von Lothar Zagrosek für die CD-Reihe „Entartete Musik“ aufnehmen lassen und gleichfalls Braunfels‘ wohl bekanntestes Stück, nämlich die „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“, die beim Label mit den rot-blauen Streifen unter Leitung von Manfred Honeck erschien, der sich in den letzten Jahren zum wahren Braunfels-Spezialisten gemausert hat.

In Kooperation mit dem Deutschlandfunk ist nun diese neue Einspielung der „Großen Messe“ im April 2010 in der Liederhalle Stuttgart entstanden und erscheint hier auf einer edel ausgestatteten Doppel-CD in einem etwas unpraktischen Klapp-DigiPak: Links und rechts sitzen die CDs in ihren Trays, während in der Mitte das sehr interessant betextete und schön gestaltete Booklet in einer beinahe unzugänglich zu nennenden Lasche steckt, aus der man das Beiheft kaum entfernen können wird, ohne dabei unweigerlich die Papphülle zu beschädigen.
Doch was zählt, ist ja nicht die Verpackung, sondern die Musik. Und hier stehen alle Ampeln auf Grün: Braunfels’ „Große Messe“ erweist sich einmal mehr als ein vergessenes Meisterwerk, das bemerkenswert qualitativ und zudem sehr zugänglich komponiert ist. Meines Erachtens gehört die geistliche Musik von Walter Braunfels zu den großen musikalischen Schätzen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie ist nicht einfach nur „spannend“ oder „interessant“. Vielmehr stellt sie einen Beitrag von großem, musikhistorischem Wert dar. Es gibt wahrlich nicht viele Werke deutsch-spätromantischer Provenienz, die es mit einem Monolithen wie der „Großen Messe“ aufnehmen könnten.

Und während Komponisten wie Hans Pfitzner politisch vorbelastet sind, weswegen man die Bedenken gegen die Aufführung seiner Werke zumindest einigermaßen verstehen kann, zählte Braunfels eher zu den Opfern in der Zeit des Nationalsozialismus. Seine Rehabilitation auf allen Ebenen – auf musikalischer ebenso wie auf gesellschaftspolitischer – steht weiterhin aus.
Die vorliegende Einspielung ist ein bemerkenswert gut eingespielter, in allen Belangen einfach nur löblicher diskographischer Beitrag, von dem man sich nur wünschen kann, dass er Schule macht. Und dass auf dieser Doppel-CD nunmehr schon zum dritten Mal die Namen „DECCA“ und Braunfels nebeneinander stehen, lässt hoffentlich auch bei anderen Labels dieses Kalibers den Mut aufkeimen, es doch einmal zu probieren mit der großartigen Musik des Walter Braunfels.

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