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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. Brahms / F. Schubert - Sonaten in Transkriptionen für Viola und Klavier
Robin Ireland (Viola) & Tim Horton (Klavier)

(2013)
Nimbus Alliance / Vertrieb: edel:kultur

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Johannes Brahms / Franz Schubert - Sonaten in Transkriptionen für Viola und Klavier

Namhafte Solisten stellen äußerst interessante Transkriptionen weltbekannter Sonaten vor

von Rainer Aschemeier  •  12. März 2013
Katalog-Nr.: NI6210 / EAN 0710357621024

Anlässlich einer sehr empfehlenswerten CD aus dem traditionsreichen britischen Hause „Nimbus“ kann ich heute endlich einmal den Unterschied zwischen den Labels „Nimbus Records“ und „Nimbus Alliance“ erklären. Mir ist nämlich aufgefallen, dass selbst viele der schreibenden Kollegen sich nicht darüber im Klaren sind, dass es da feine Unterschiede zwischen beiden Labels gibt.

Beide Labels kommen aus demselben Hause, nämlich von Wyastone Estate Limited, jener Firma, die das originale „Nimbus Records“-Label Ende der 1970er unter dem Ansatz aus der Taufe gehoben hatte, ein HiFi-Label mit einer einmaligen Aufnahmephilosophie zu begründen. „Ambisonic“ hatten sich die Briten damals groß auf die Fahnen geschrieben: Eine spezielle Aufnahmetechnik mit nur einem einzigen Mikrofon, das eine Art sehr ungewöhnliches Kunstkopfmikrofon mit Spinnenaufhängung war und eine einmalige Raumklangwiedergabe ermöglichen sollte. Der Haken: Wer diesen Raumklangeffekt genießen wollte, benötigte einen Ambisonic-Decoder für seine HiFi-Anlage.
Obwohl oder vielleicht gerade weil diese Technik ihrer Zeit weit voraus war (man denke an das heute übliche Dolby Surround-Verfahren), erwies sich die innovative Nimbus-Technologie (für die die Firma einst sogar einen Technologiepreis aus den Händen von Queen Elizabeth entgegennehmen konnte) als Flop. „Ambisonic“ ist inzwischen Geschichte. Klangschön sind die Nimbus Records-CDs trotzdem geblieben.

Vorliegende CD nun stammt nicht vom Nimbus Records-Label, sondern von dem erst vor wenigen Jahren ausgegründeten Label Nimbus Alliance. Worum handelt es sich da? Kurz gesagt geht es bei Nimbus Alliance einerseits um Veröffentlichungen, die Künstler in Eigenregie anfertigen lassen und für die sie dann einen validen Vertrieb suchen und andererseits um ganze Backkataloge von Künstlern, deren CDs – die sie einst für ganz andere Labels eingespielt hatten – schon länger vergriffen waren und nun unter dem Nimbus Alliance Label wiederveröffentlicht werden.

Bei der hier vorgestellten CD geht es keineswegs um eine Wiederveröffentlichung, sondern um eine pressfrische CD, bei der sich – ganz unverständlicherweise! – offenbar anderswo kein Label gefunden hat, das sie hätte veröffentlichen können.

Dabei ist diese CD eine echte Repertoire-Bereicherung und dürfte sowohl „Jäger und Sammler“ im romantischen „Revier“ begeistern als auch ganz allgemein Gelegenheitshörer klassischer Musik.
Die CD bietet nämlich drei der bekanntesten und beliebtesten Sonaten der Romantik in Transkriptionen für Viola und Klavier. Brahms‘ Klarinettensonaten Op. 120 Nr. 1 und 2 wurden vom Komponisten selbst für Viola transkribiert, Schuberts populäre „Arpeggione-Sonate“ von fremder Hand.

In den Interpretationen von Robin Ireland und Tim Horton gelingen alle drei Werke derart überzeugend, dass man sich fragt, warum nicht schon viel früher die existierenden Violatranskriptionen eingespielt worden sind. Das vorzüglich geschriebene, sehr informative Booklet klärt uns auf: Brahms‘ Violatranskriptionen der Klarinettensonaten erschienen im 19. Jahrhundert bei Simrock in einer offenbar mit Kopierfehlern gespickten Ausgabe, was in der Folge schlicht rufschädigend für diese Transkriptionen wurde. Bratschist Robin Ireland hat sich die alten Ausgaben vorgenommen und gründlich ediert, sodass hier auf dieser CD der vorzügliche Beweis dafür erbracht wird, dass Brahms‘ Klarinettensonaten auch auf der Viola eine gute Figur machen – fragt man mich persönlich würde ich glatt sagen: beinahe eine bessere als in der Besetzung für das „Originalinstrument“ Klarinette.

Schuberts „Arpeggione“-Sonate (die heute bekanntlich eh fast immer in Transkription, meist für Cello, erklingt) ist jedoch der eigentliche „Star“ dieser Aufnahme: Deutlich behender, heller, strahlender ertönt sie in der Fassung für Bratsche und Klavier. Eine echte Entdeckung und eine wirkliche Bereicherung!

Zur Interpretation kann man überwiegend Gutes vermelden, was auch nicht überrascht. Schließlich ist Robin Ireland mehr als 20 Jahre lang Bratschist des weltweit gefeierten Lindsay String Quartet (auch bekannt unter dem griffigen Kürzel „The Lindsays“) gewesen. Eine solche Abstammung verpflichtet.
Pianist Tim Horton ist normalerweise Duettpartner des Cellisten Adrian Brendel, Sohn der Klavierlegende Alfred Brendel.
Käufer dieser CD werden mit einer sehr ausgewogenen, geschmackvollen und qualitativ hochwertigen Interpretation beglückt, deren leichte Abstriche in den Bereichen Intonation wohl der Aufnahmesituation geschuldet sind, denn es handelt sich hier um eine Liveaufnahme.
Der Klang ist ebenfalls sehr amtlich, kommt vor allem schön warm und „rund“ aus den Boxen. Gleichwohl ist die Transparenz nicht optimal, und insgesamt wirkt der Sound etwas zu trocken und alles in allem auch nicht sehr räumlich. Dieses Problem haben bei Live-Aufnahmen allerdings auch andere Labels. Man muss hier eben den Mittelweg gehen zwischen einem Raumklangansatz (und dabei Gefahr laufen, auch Nebengeräusche aus dem Publikum mit auf die Aufnahme zu bekommen) und einer relativ „nah“ klingenden Abnahme der Instrumente, die stets eine etwas trockene Klangästhetik zur Folge hat.

Fazit: Eine insgesamt ziemlich gute CD mit äußerst interessanten Transkriptionen. Nicht nur etwas für Schubertianer und Brahminen!

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