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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Englische Klarinetten-Sonaten
D. Jarzynski (Klarinette) / A. Czaicka (Piano)

(2011)
DUX / note 1

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Englische Klarinettensonaten

Britische Spätromantik in erstklassigen Interpretationen

von Rainer Aschemeier  •  10. Februar 2012
Katalog-Nr.: DUX 0798 / EAN: 5902547007984

Britische „Klassik“ erfreut sich seit Jahren steigender Beliebtheit, und so sind erfreulicherweise längst auch die Raritäten britischer Sinfonik von einschlägigen Labels beackert worden. Zwei Dinge jedoch sind auffällig; Erstens: Das soeben festgestellte steigende Interesse für britische Musik scheint sich nicht auch auf die Kammermusik auszudehnen, und zweitens: Noch immer bekommen wir britische Musik beinahe ausschließlich auch von britischen Künstlern serviert.

Wie schön also, dass nun einmal eine CD erscheint, die mit diesen Gepflogenheiten etwas bricht. Auf der jüngst erschienenen Neuerscheinung mit englischen Klarinettensonaten, erschienen beim polnischen Audiophilen-Label „Dux“, führen uns die Polen Dawid Jarzynski (Klarinette) und Anna Czaicka (Klavier) seltenst zu hörende Werke von John Ireland, Arnold Bax, Joseph Horovitz, Herbert Howells und Sir Malcolm Arnold vor Ohren.
Wie die Auflistung der Komponisten bereits vermuten lässt, ist diese Veranstaltung ein einziges Schwelgen im spätromantischen britischen Sound der Elgar-Nachfolge, bzw. im Fall von Herbert Howells der Vaughan Williams- und im Fall von Joseph Horovitz der Tippett-Zeitgenossenschaft.

Auf dieser CD gibt es in der Tat keine großen Überraschungen. Oder positiv ausgedrückt: Diese CD erfüllt in vollem Umfang die Erwartungen eines Hörers, der mit dem sonstigen Werk der genannten Komponisten zumindest leidlich vertraut ist: John Irelands Fantasy Sonata ist wie von ihrem Schöpfer auch sonst gewohnt, eine eher zurückgenommene, introvertierte, mit französischem Impressionismus und der Unterhaltungsmusik der 1930er-Jahre spielende Angelegenheit, die stellenweise ein wenig so klingt, wie Poulenc „auf britisch“.
Arnold Bax breitet, wie üblich, den ausgedehnten spätromantischen Teppich aus, mit dramatischen Steigerungen, aber auch der Bax‘ Musik oft eigenen, geradezu charakteristischen Schwerfälligkeit.
Joseph Horovitz‘ Sonatina ist ein heiteres, fröhliches Stück, das daherkommt, wie ein einziger Ton gewordener Anachronismus, wenn man bedenkt, dass es 1980 komponiert wurde. Wer das verschmerzen kann, bekommt hier ein knapp zwölfminütiges, höchst reizvolles, weil sehr schön melodienverliebtes Stück zu hören.
Erst bei Howells begegnet uns dann – auch dies erwartungsgemäß – die echte hohe Kunst britischer Meisterschaft. War bereits die vor Kurzem an dieser Stelle besprochene Orchestertranskription von Howells‘ Oboensonate ein Highlight sondergleichen, so steht auch dessen Klarinettensonate aus dem Jahr 1949 dahinter nicht zurück. Howells ist sicherlich der noch am wenigsten „entdeckte“ der britischen Großmeister und muss sich hinter keinem seiner weitaus prominenteren Zeitgenossen, wie etwa Vaughan Williams, Holst oder Britten, verstecken. Howells‘ Sonate ist um Längen das qualitativ beste Stück der hier neu vorliegenden CD.
Malcolm Arnold pflegt in seiner Sonatina op. 29 seine ureigene Form der Auseinandersetzung zwischen spätromantischer Tradition und expressionistischen Einflüssen – auch das, wie von diesem experimentierfreudigen Meister britischer Musik gewohnt.

Dawid Jarzynski und Anna Czaicka liefern grandiose Interpretationen ab, spielen sehr schön homogen und sind somit ein echtes Duo, und nicht nur zwei Musiker, die zufällig dasselbe Stück spielen. Diese beiden sind eine musikalische Einheit und meistern nicht nur jede spieltechnische Hürde dieser zum Teil sehr anspruchsvollen Werke (vor allem Malcolm Arnold verlangt seinen Interpreten hier eine Menge virtuoses Können ab). Ihre Interpretationen sind darüber hinausgehend vielmehr auch sehr empathisch und durchdacht. Das kann man getrost als Referenzniveau bezeichnen.

Der für das DUX-Label typische Spitzensound ist auf dieser Aufnahme erneut hervorragend ausgefallen, hat jedoch diesmal eine leichte Tendenz zur „digitalen Schärfe“, die mir persönlich manchmal vor allem bei der Klarinette etwas unangenehm auffällt. Ansonsten gibt es aber auch in dieser Hinsicht nichts Substanzielles zu meckern.

Fazit: Wer auf die genannten Komponisten oder britische Spätromantik ganz allgemein steht, ist mit dieser CD hervorragend bedient. Bestnote!

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt.))

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Beiläufig sei erwähnt, dass wir mit dieser Rezension unseren 300. Artikel seit Gründung unserer website „feiern“. :-)

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