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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

I. Strawinsky / P. Pincemaille - Der Feuervogel; Petruschka in Transkriptionen für Orgel
Pierre Pincemaille

(2011/1997)
Solstice / Continuo CD-Vertrieb

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Igor Strawinsky / Pierre Pincemaille — "Der Feuervogel", "Petruschka" (Transkriptionen für Orgel)

P. Pincemailles faszinierende Strawinsky-Transkriptionen: Ein Orgelfeuerwerk der Extraklasse!

von Rainer Aschemeier  •  12. August 2011
Best.-Nr.: SOCD 153 / EAN: 3279791532039

Jeder, der schon einmal bei einem Orgelkonzert war, weiß, dass das ein wirklich fantastischer Musikgenuss sein kann. Jeder, der jedoch schon einmal ein Orgelkonzert miterlebt hat, bei dem das Instrument, auf dem konzertiert wurde, geradezu gigantische Ausmaße hatte, wird das als Highlight ohne Gleichen in Erinnerung behalten. Als ehemaliger Wahl-Mannheimer war ich in der glücklichen Lage, mehrere Male die herrliche Steinmeyer-Orgel aus dem Jahr 1911 in voller Aktion mitzuerleben. Dieses Instrument hat zwei 32-Fuß-Register, die (das entsprechende Konzertrepertoire vorausgesetzt) tiefsten Bass erzeugen können und Schallwellen, bei denen man sich hin und wieder vorkommt, wie beim Astronautentest.

Die Orgel auf der CD, die hier vorgestellt werden soll, ist noch einmal um Einiges größer, hat gleich drei 32-Fuß-Register und kann voll „ausgefahren“ wahrscheinlich das halbe Radio-France-Gebäude wegsprengen, in dessen Sendesaal sie sich befindet. In eben diesem, dem Andenken des großen Komponisten und Organisten Olivier Messiaen gewidmeten, Sendesaal fand ein musikalisches Ereignis der Extraklasse statt: Der Organist Pierre Pincemaille trug damals seine Transkriptionen zweier Ballette von Igor Strawinsky auf der Großen Gonzalez-Dargassies-Orgel vor. Hierbei handelte es sich um Übertragungen der populären Stücke „Der Feuervogel“ sowie „Petruschka“. Wer diese beiden Werke schon einmal in den Orchesterfassungen gehört hat, weiß, dass die beiden Stücke nicht nur extrem anspruchsvoll sind und als schwieriges bis schwierigstes Orchesterrepertoire gelten, sondern zudem auch richtig „Wumms“ haben. Es stand also zu erwarten, dass der als herausragende Virtuose bekannte Pierre Pincemaille, seines Zeichens langjähriger Hauptorganist der Kathedrale von St. Denis, im wahrsten Sinne des Wortes „alle Register“ ziehen würde, um die Strawinsky’schen Ballette auf der Orgel zu neuem Leben zu erwecken.

Diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Mit vollkommener Beherrschung des Instruments, schwindelerregender Virtuosität und Sinn für das richtige Registertimbre an der richtigen Stelle, dazu noch unterstützt von Triangel- und Perkussionseffekten, ergibt sich qua CD eine musikalische Erfahrung, die jeder als eigenständige künstlerische Leistung beurteilen wird, der sie einmal gehört hat. Durch die Aufnahmesituation in den offenbar bestens ausgestatteten Räumlichkeiten von Radio France, wurde auch der Klang dieses Orgelfeuerwerks äußerst naturgetreu und frei von dem lästigen Lüfterrauschen aufgezeichnet, das einem recht häufig etwas weniger gut aufgenommene Orgelaufnahmen vermiest.
Wer eine Hifi-Anlage besitzt, deren Lautsprecher und Verstärker das Potenzial haben, „echte“ 20 Hz zu erreichen, hat hier zudem eine CD an der Hand, um zu testen, wie weit die Nachbarn bereit sind, den musikalischen Weg mitzugehen, denn man für sich selbst erwählt hat.

Doch dies soll nicht heißen, dass es hier nur darum geht, mit Lautstärke zu protzen. Ganz im Gegenteil: Pincemaille überträgt auch die filigranen, sanften Bestandteile dieser Musik konsequent auf das Instrument Orgel. Es sind mehrere Kriterien, die mich dazu verleiten, bei dieser CD die „The-Listener“-Höchstnote von 5 Punkten zu zücken. Diese sind:

ⓐ Die Aufnahme stellt zwei grandiose Kompositionen vor, die zum Besten gehören, was das frühe 20. Jahrhundert hervorgebracht hat.

Ⓑ Diese wurden glänzend und sehr überzeugend transkribiert, was nach dem Dafürhalten der meisten Fachleute eine nicht zu unterschätzende und individuelle künstlerische Leistung darstellt.

Ⓒ Die Übertragungen wurden von Pierre Pincemaille fantastisch eingespielt, der trotz aller Virtuosität, die hier zutage tritt, niemals den Gedanken an einen oberflächlichen „Tastenlöwen“ aufkommen lässt; denn neben einer technisch brillanten Ausführung auch der schwierigsten Partien beweist er hier ein tiefes Musikverständnis und große Empathie.

Ⓓ Zuguterletzt liegt die Aufnahme noch in einem großartigen Sound vor, von dem sich auch 15 Jahre nach der Aufnahme so manche heutige Produktion mal eine Scheibe abschneiden könnte.

Fazit: Diese CD gehört zweifellos in jede ernstzunehmende Orgelmusiksammlung und darüber hinaus eigentlich auch in jede ambitionierte Strawinsky-Kollektion!

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise von der Firma „Continuo CD-Vertrieb“ in 76297 Stutensee zur Verfügung gestellt. Bei eventuellen Beschaffungsproblemen empfiehlt www.the-listener.de die Bestellung über den Versand www.jpc.de, bei dem die hier besprochene CD vorrätig ist.))

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