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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Avenging Angel
Craig Taborn

(2011)
ECM

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Craig Taborn - Avenging Angel

Racheengels großer Auftritt

von Rainer Aschemeier  •  18. Mai 2011

Manche Plattenlabels verbindet man mit einem bestimmten Sound oder mit einer bestimmten Ausprägung eines musikalischen Stils. Auch, wenn das Repertoire von ECM records weit darüber hinausreicht: ECM steht in den Augen vieler Jazzfans vor allem für alte und junge, immer wieder neue und vor allem phänomenale Jazzpianisten, von denen am bekanntesten sicherlich Keith Jarrett sein dürfte. Doch ECM steht auch für die Überschreitung musikalischer Grenzen und die Bereitschaft der Künstler dieses Labels, diese „Politik“ schon mal mitzumachen. Und so gibt es von Keith Jarrett (um bei dem Beispiel zu bleiben) nicht nur so tolle Solopiano-Jazzalben wie etwa „The Melody At Night, With You“ bei ECM, sondern eben auch Jarretts Darbietung der 24 Präludien und Fugen von Dmitri Schostakowitsch.

Eine neue Stimme im Reigen der ECM-Klaviergrößen ist der bislang wohl nur hartgesottenen Jazzern bekannte US-Pianist Craig Taborn, der einmal (so informiert mich „wikipedia“) in der Band von James Carter gespielt haben soll — und dieser Name sagt einem ja schon etwas mehr.
Taborns ECM-Debüt „Avenging Angel“ (übersetzt also in etwa „Racheengel“) kann jedoch stilistisch in keine Schublade gesteckt werden. Ist es Free Jazz? Nein, denn dazu sind zu viele „Songs“ doch viel zu strukturiert und melodiös. Ist es Minimal Music? Nein, denn dazu ist das meiste auf der CD deutlich zu diffizil, und es geht hier viel zu sehr die Post ab. Ist es etwa „Neue Musik“ – also im engeren Sinne „E-Musik“? Ich denke, da kämen wir der Sache schon näher, doch vielleicht ist der das Album wie ein roter Faden durchwebende „Gesamtgroove“ am Ende doch eher Jazz!? Nein, das ist doch ganz klassischer Kontrapunkt! Oder nicht!?
Kurz und gut: „Avenging Angel“ ist das Album, das in keine Schublade passt. Wie schön! Denn für ein Schubladendasein ist die Scheibe auch einfach zu schön, zu sperrig, zu groß.

Craig Taborn ist mit „Avenging Angel“ ein ganz großer Wurf gelungen, und ECM darf stolz darauf sein, ein so wunderbares Album veröffentlichen zu dürfen — auch wenn die Anzahl der Kunden, die sich für solche Musik interessieren, womöglich ziemlich „überschaubar“ bleiben dürfte. Taborns erste ECM-CD ist erfreulicherweise weder etwas für unterkühlt-loungige Cocktail-Schlürfer, noch etwas für hochgeistige Avantgarde-Snobs, noch etwas für eingefleischte Jazz-Puristen. Es ist einfach ein Album für Leute mit richtig gutem Musikgeschmack — und ich nehme polemischerweise mal an, da bleibt heutzutage vielleicht noch ein knappes Prozent der „Masse“ übrig. Oder sehe ich die Dinge zu schwarz? Ich würde es mir wünschen, denn „Avenging Angel“ gehört gehört! Mit Worten kann man der faszinierenden Klangwelt des Craig Taborn nämlich nicht beikommen. Beim nächsten Stopp im Plattenladen Eures Vertrauens bitte auf jeden Fall mal einen Probedurchlauf wagen!

Der Klang der CD ist ECM-typisch spitze, vielleicht eine Spur zu hallig, doch das gehört wohl zum „angelischen Konzept“ der Scheibe. ;-)

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