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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Omega
Asia

(2010)
Frontiers Records

• • • •

Asia - Omega

Genau wie anno Dunnemals...

von Rainer Aschemeier  •  7. September 2010

Es gibt Rockbands, deren Fans ans Unverwüstliche grenzen. Egal, ob die Band gerade ein Spitzenalbum abgeliefert hat oder doch mal wieder nur Durchschnittsware produziert: die Helden werden gnadenlos abgefeiert – …von denen, die sie schon immer abgefeiert haben. Der Rest der Welt sieht die Sache meist weniger durch die rosarote Brille. Ein Fall von dieser Art war und ist auch die in Fankreisen legendär zu nennende Band „Asia“.

Anno 1982 rockte die Formation mit einem mehrfach Platin-ausgezeichneten Album (das mit dem berühmten Drachencover) den gesamten Globus. Kein Wunder, hatte sich doch da eine richtige „Supergroup“ zusammengetan: John Wetton von „King Crimson“, Steve Howe von „Yes“, Carl Palmer von „Emerson, Lake and Palmer“ und Geoffrey Downes von „The Buggles“ (wer die nicht kennt, kennt sicher deren Single „Video Killed the Radio Star“). Viel Chartpotenzial hatte sich also in dieser Gruppe versammelt, und mit Hits wie „Heat of the Moment“ oder „Sole Survivor“ schaffte es die Band im Nullkommanichts bis ganz nach oben in den weltweiten Hitparaden. Ein weiteres, deutlich schwächeres, Album („Alpha“) lang noch hielt die Urbesetzung, danach schon begannen die Reihen zu bröckeln. Auf „Astra“ (1985) war Gitarrist Howe nicht mehr dabei und wurde – schon damals ziemlich überraschend – von dem Schweizer Flitzefinger Mandy Meyer ersetzt, der bis dato bei den Alpenmetallern von „Krokus“ in die Saiten gegriffen hatte. Zwar war „Astra“ ein wahrlich starkes Album, doch „Asia“ wollte – warum auch immer – plötzlich keiner mehr hören. Die Band löste sich wenig später auf.
1992 erfolgte aber schon die Neugründung durch Geoff Downes, der sich diesmal den Rest der Mannschaft komplett neu zusammenstellte. Durch buchstäblich Milliarden von Besetzungswechseln ging die Band fortan und wurden dadurch (auch in Sachen Image) sehr geschwächt. Noch bis vor Kurzem hätte wohl kaum jemand mehr viel auf die Band gegeben, deren imposanter Drache einst die Welt in ihren Bann gezogen hatte. Doch 2008 erschien das unerwartet starke Asia-Album „Phoenix“. Und als wäre es nicht schon unerhofft genug gewesen, das die Band hier wieder zu alter Stärke zurückgefunden hatte, tat sie das gleich auch noch in ihrer ruhmreichen Originalbesetzung. Und die las sich auch 2008 noch wie ein „Who is Who“ des Progressive Rocks. Dabei waren Asia nie besonders darauf aus, die progressiven Wurzeln ihrer Stammbands weiterzuführen. Ganz im Gegenteil: Die kompositorische Klasse der einzelnen Musiker wurde stets genutzt, um möglichst eingängige aber hochwertige Poprock-Juwelen zu produzieren.

Mit dem Erscheinen von „Omega“ ist nun klar: Asia machen ernst mit der Reunion. Auch dieses Album ist wieder eine sehr sehr empfehlenswerte Scheibe geworden. Mehr als das: Die Asia-Reunion ist zumindest in meinen Augen nichts weniger als sensationell, denn die alten Herren schaffen es wirklich und wahrhaftig zu ihrer alten Hochform aufzulaufen. Weder „Phoenix“ noch „Omega“ müssen sich vor den Großtaten der Achtzigerjahre verstecken. Es erscheint vielmehr folgerichtig zu sagen, dass die beiden jüngsten Alben so manches von früher in den Schatten zu stellen vermögen. Und welche wiedervereinigte Altherrenrock-Combo kann das allen Ernstes von sich behaupten? Wenn wir ehrlich sind, ist es doch meist so, dass die alten Klassiker in weiter Ferne gülden glänzen, während man sich den neu aufpolierten Alben alter Heroes in aller Regel vorsichtshalber mit einem starken Gefühl von Nostalgie und viel Toleranzbereitschaft nähern muss. Bei Asia ist aber gerade das nicht notwendig. Die Band ist wieder gleich stark wie früher, gleich eingängig wie früher, ja, selbst John Wetton singt auf dem gleichen hohen Qualitätslevel wie anno dunnemals. Hut ab!

Dafür, dass sämtliche Musiker der Band (ganz besonders aber Steve Howe) auf dem Foto im Booklet unglaublich abgewrackt aussehen – schlimmer noch als man es selbst in fürchterlichen Fällen von alten Helden mittlerweile schon gewohnt ist – ist „Omega“ eine akustische Frischzellenkur und macht mächtig Laune. Allein die ersten fünf Tracks des Albums sind nicht nur Albumhighlights, sondern veritable Highlights in der gesamten Bandkarriere. Man höre sich z. B. das wunderbare „Through my Veins“ an, das in bester alter Asia-Tradition eine ausgeklügelte und harmonisch einfallsreiche Melodieführung in der Strophe mit einem stadiontauglichen Mitsing-Refrain verbindet. Gleiches gilt für das herausragende Stück des Albums, den pompösen Rocksong „Holy War“. Einfach alles richtig gut. Die Produktion ist ebenfalls auf altem, hohem Standard, höchstens vielleicht etwas weniger „poliert“ was Howe’s Gitarrensound angeht – was dem Asia-Sound insgesamt aber eher gut tut. Und auch textmäßig werden altgewohnte Pfade eingeschlagen: Entweder geht’s um Liebe oder um Krieg. Doch wer hätte von Asia Anderes erwartet? Wenigstens in diesem Punkt ist sich die Band ja auch durch die Wirrnisse der letzten 20 Jahre hindurch treu geblieben. Leider teilt „Omega“ das Schicksal vieler Rock-Alben der letzten Jahre: Auch diese Platte läuft schlicht zu lang. Hätte man eine nette 40-Minuten-scheibe wie in alten Zeiten produziert und dabei ausschließlich die Highlights aufgenommen, wäre das Album sicherlich auf ein und demselben Level wie das 1985-er Epos „Astra“ anzusiedeln. Doch erneut haben sich auf „Omega“ entweder Band oder Plattenfirma bemüßigt gefühlt, uns, den Fans „mehr zu geben“ (es wird ja immer mit uns armen Hörern argumentiert. Nur fragt uns vorher keiner…). Das führte offenbar dazu, dass es dann doch noch drei bis vier weniger starke Tracks auf die Setlist geschafft haben, die den Gesamteindruck dieses eigentlich grundsoliden Albums merklich trüben. Deswegen: Eine Vier-Punkte-Wertung mit Sternchen, aber für eine Fünf leider zu viel des „Guten“. Wann lernen das die Labels endlich: Die Kunden wollen nicht Quantität sondern Qualität!

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