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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Scream
Chris Cornell

(2009)
Interscope/Mosley Music Group

Chris Cornell - Scream

Achtung! Giftig!!!

von Rainer Aschemeier  •  9. August 2010

Während ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich, warum ich Chris Cornells jüngstes Machwerk „Scream“ überhaupt bespreche. Und die Antwort ist: Weil dies ein Album ist, vor dem gewarnt werden sollte. Gewarnt werden müssen vor allem diejenigen, die Chris Cornell als Ex-Sänger von Soundgarden und Audioslave verstehen, kennen und lieben. Denn eben diese werden den Ausnahmesänger auf „Scream“ weder verstehen, noch zu kennen glauben, noch lieben. Bereits im Plattenladen hätte man sich ja eigentlich frühzeitig von dem dicken Sticker „produced by Timbaland“ abschrecken lassen können oder von dem Statement im Innenteil des Booklets, das hier – man höre und staune – Justin Timberlake als Background-Sänger zum Einsatz kommt. Doch der ans Gute glaubende Cornell-Fan, der Cornell auch als Solokünstler stets als ehrlichen Musik-Handwerker kennengelernt hatte, ließ sich täuschen und kaufte… schmieriges Hitparadenfutter!!!

Man stelle sich das letzte Kilie Minogue-Album mit der Stimme von Chris Cornell vor, gespickt mit billigen Keyboard-Sounds á la dem tausendsten von Timbaland produzierten Hip-Hop-Abklatsch und man kommt dem Elend nicht einmal nahe. Spätestens beim dritten Song „Sweet Revenge“ (auf diesem Album gehen übrigens alle Songs pausenlos ineinander über, was auf die Dauer zusätzlich nervt) und dessen Drum’n’Bass-Begleitung verlässt den geneigten rockwilligen Hörer der Glaube daran, dass dieses Album jemals zum geliebten Bestand der heimischen Plattensammlung gehören könnte.

Im Gegenteil: Man beginnt, das Album von Song zu Song mehr zu hassen. Warum? Weil sich hier millionenfach gehörte und richtig schmalzig und „goldkettchenmäßig“ produzierte Discopopsülze in 11 weiteren Songs manifestiert, die die Welt nicht braucht. Jetzt wird man sich fragen, warum 11, wenn es doch 13 Albumsongs sind? Ganz einfach: Weil eben doch zwei Songs zu gefallen wissen. Es ist die kompositorisch wunderbare Ballade „Never Far Away“, die einen wirklich gelungenen Song zu repräsentieren vermag, der jedoch ebenfalls mit zu lange gekautem Kaugummi überzogen wird und das auch noch schlecht. Ich frage mich speziell bei diesem Song: Wo ist der Bass geblieben? Der Mix wirkt, als hätte man das bei diesem Song eben mal vergessen. Es ist katastrophal. Und zum Anderen kann „Long Gone“ am ehesten noch halbwegs als kerniger Rock durchgehen. Der einzige Stern, dem ich diesem Machwerk vergeben kann, ist der immer noch großartigen Stimme des Meisters geschuldet, die auf diesem Album jedoch ähnlich passend wirkt, wie die erwähnte Kylie Minogue als (zum glücklich gänzlich fiktiver) Cornell-Ersatz bei Audioslave.

Alle, die das erste Cornell-Solo-Album „Euphoria Morning“ noch nicht kennen, sollten es kaufen. Denn das ist mit seinem „Sting goes Soundgarden“-Sound eine wunderbare Platte, doch bei „Scream“ kann man wirklich nur ins Schreien ausbrechen – es sind Schreie des Entsetzens für jeden, der ehrliche Musik zu schätzen weiß.

Auf dem Cover von „Scream“ zerdeppert Chris Cornell eine E-Gitarre. Doch wer hätte gedacht, dass das ernst gemeint ist und sich der Inhalt der Verpackung wie eine Art Eminem goes Rock anhört??? Katastrophe!!! Katastrophe!!! Katastrophe!!!

Und noch etwas am Rande: Wer soll das eigentlich kaufen? Die Eminem-Jünger oder die Audioslave-Fans? Im Zweifelsfall würde ich sagen: Keiner von beiden! Chris Cornell hätte dieses Album am besten verschwiegen und bei sich zuhause ins Regal gestellt. Keine Ahnung, was ihn da geritten hat. Wahrscheinlich ist ihm der Job als Sänger des Titelsongs des letzten James Bond-Films einfach zu Kopf gestiegen. Mit dem Verlangen nach einem eigenen Aston Martin entstand dann „Scream“. Doch alles was übrig blieb, ist eine kaputte Gitarre und mutmaßlich viele enttäuschte Fans. Und damit ihr mich nicht falsch versteht: Ich habe nichts dagegen, wenn sich Künstler weiterentwickeln, doch DAS hier, ist keine Weiterentwicklung. Das ist… das ist… sorry… das ist einfach nur Humbug! Ein vergleichend schockierender Wandel vom ernstzunehmenden Musiker zum absoluten Niemand dürfte auch in der Vergangenheit schwer zu finden sein. Am ehesten würde mir da noch Rock-Veteran Ritchie Blackmore einfallen, der sich seit dem Abgang von Deep Purple und einer kurzen aber gutklassigen 90-er Liaison mit den aufgewärmten Rainbow seit nunmehr schon fast 15 Jahren dem vollständig nichtswürdigen „Blackmore’s Night“-Projekt hingibt.

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