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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

P. Glass, John Rutter, Jean Françaix - Cembalokonzerte
West Side Chamber Orchestra - K. Mallon, Ch. D. Lewis (Cembalo)

(2013)
Naxos

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Philip Glass, John Rutter, Jean Françaix - Cembalokonzerte

Begeisterndes Debüt-Album des West Side Chamber Orchestra

von Rainer Aschemeier  •  27. September 2013
Katalog-Nr.: 8.573146 / EAN: 747313314676

Dass Kevin Mallon, ein Schüler von John Eliot Gardiner, der durch hervorragende Interpretationen der Sinfonien des Wiener Klassikers Johann Baptist Vanhal aufgefallen ist, nun ein neues Album mit Cembalokonzerten vorlegt, ist erstmal nichts besonderes. Dass es sich dabei allerdings um Cembalokonzerte aus dem 20. und 21. Jahrhundert handelt, ist schon ein „Hingucker“.

Zwar weiß jeder, der sich auch nur ein wenig für die Musik des 20. Jahrhunderts interessiert, dass das Cembalo vor allem bei den Neoklassizisten der 1920er- und 30er-Jahre eine Renaissance erlebte, mit dem vielleicht herausragenden Werk „Concert champêtre“ aus der Feder Francis Poulencs. Doch es ist schon erstaunlich, dass auch aus späteren Jahrzehnten noch so viele Cembalokonzerte vorliegen. Hier erklingen die Cembalokonzerte von John Rutter (1979), Philip Glass (2002) und Jean Françaix (1959). Zusammen bilden sie ein Panoptikum der gemäßigten Moderne, das von der auf den ersten Blick naiven Barockannäherung John Rutters über die schon etwas vertracktere Minimalistik Philip Glass‘ bis hin zur kompositorischen Meisterschaft Jean Françaixs reicht.

Ob man das nun mag oder nicht, ist eine Frage des Geschmacks – vor allem im Fall der manchmal doch arg süßlichen Musik John Rutters. Doch die Interpretationen, die auf diesem Album vorliegen, lassen samt und sonders aufhorchen.

Gardiner-Schüler Kevin Mallon ist ein vorzüglicher Dirigent. Das wussten wir von seinen bisherigen, rundum begeisternden Naxos-Einspielungen mit verschiedenen Orchestern, die mal mehr mal weniger Mallons Klasse zu teilen verstanden. Doch das Orchester, das wir auf dieser CD hören, ist das bislang vielleicht spannendste in der langen Reihe von Naxos-Aufnahmen Kevin Mallons.

Es handelt sich dabei um das taufrisch gegründete New Yorker West Side Chamber Orchestra, dem Kevin Mallon seit den Tagen der Gründung in besonderem Maße verbunden zu sein scheint. Besucht man die website des Orchesters kann man ganz gut erahnen warum. Dieses Orchester ist eine private Gründung und zwar offensichtlich von Enthusiasten. Immerhin möge man sich folgende Anekdote auf der Zunge zergehen lassen: Da das Orchester bei seinem ersten Konzert noch nicht bei der städtischen Kulturbehörde gemeldet war, durften die Musiker für ihren Auftritt keine Gage verlangen und mussten sogar (wie die restlichen Besucher) Eintritt bezahlen (!), schließlich musste irgendwie wenigstens die Saalmiete aufgebracht werden. „Pay to play“ war zwar einmal ein Motto der Rockszene im L.A. der 1980er-Jahre. Doch so bekloppt wie diese behördenschwangere Geschichte war selbst das nie.

Wer also Eintritt für sein eigenes Konzert zu entrichten bereit ist, muss es wohl wirklich Ernst meinen mit der Begeisterung für die Musik.
Und das hört man dem West Side Chamber Orchestra auch an: Die Musiker sind hervorragend. Ihre Qualität in punkto Intonierung oder Rhythmik ist absolut makellos. Das hat man von weitaus namhafteren Kammerorchestern schon ganz anders – nämlich schlechter – gehört. Besonders gut gefällt mir die Fähigkeit des Orchesters auf engstem Raum dynamische Feindifferenzierungen abzubilden, die Kevin Mallon übrigens hervorragend ausgearbeitet hat. Das kommt insbesondere dem Glass-Konzert zugute, was durch Mallons sensible Ausarbeitung einen ganz feinen „Puls“ bekommt. Und das bekommt Glass‘ Musik sehr gut!

Total hin und weg bin ich aber von dem zauberhaften und hier perfekt interpretierten Cembalokonzert von Jean Françaix. In seinem typisch vordergründig leichtfüßigen, hintergründig zum Teil hochgradig verzwickten Kompositionsstil hat der große französische Komponist ein veritables Meisterwerk vorgelegt, mit einer neoklassischen Hinwendung zum Barock, die weitaus origineller und geschmackssicherer ist als John Rutters etwas plakatives Ranschmeißen an den barocken Gestus.

Einziges Manko an dieser ansonsten grandiosen Aufnahme ist der etwas bandbreitenarme Sound, dessen Stereoton man sich weiter aufgefächert gewünscht hätte. Immerhin: Die Transparenz ist da, man „hört durch“ bis zum Bühnenboden. Und das ist gut. Es geht hier nur um leichte Verbesserungen der Räumlichkeit, und das ist es, was ich mir für weitere Einspielungen von diesem Orchester wünschen würde. Und dass es unbedingt weitere Einspielungen von diesem vorzüglichen neuen Ensemble geben sollte, steht hoffentlich auch für die Verantwortlichen des Naxos-Labels außer Zweifel.

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