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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Lostboy!
Lostboy! a.k.a. Jim Kerr

(2010)
Tartan Noir/e.a.r. music/edel

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Lostboy! a.k.a. Jim Kerr

Fehlendes Selbstbekennnis zum Incognito, oder: Wie man einen Weltstar "alternative" verpackt

von Rainer Aschemeier  •  9. August 2010

Er fühle sich in der heutigen Musiklandschaft wie ein „lost boy“, wie ein „verlorener Junge“, wahrscheinlich wie einer, der vor lauter Spielsachen kaum weiß, was er ausprobieren soll. Er habe vor, die Frische und Unverbrauchtheit der Anfangstage seiner Karriere in Form seines ersten Soloalbums erneut zu entdecken und auszuleben. Der, der das sagt, ist Sänger bei einer der bekanntesten Bands des Planeten, deren Musik – zur Werbeuntermalung verkommen – uns allabendlich in Form einer TV-Bierreklame frei Haus gespielt wird. Der, der das sagt, hat mit seiner Band Millionen verdient und verkauft noch heute die größten Hallen aus. Seine Haus- und Hofband begann im Fahrwasser von Joy Division und New Order als eine der vielversprechendsten Bands der Frühachtziger-Indie-Szene im United Kingdom, entwickelte sich dann zu einer viel beachteten New Wave-Band und geriet durch einen einzigen Song in das Fahrwasser, das sie fortan zum Anwärter auf vordere Positionen bei Kuschel-, Schmuse- und Knutsch-Pop-Samplern aller Couleur machte.

Wer sich auch nur ein wenig im Popdschungel auskennt, weiß längst wer gemeint ist: Die Rede ist von Jim Kerr, seines Zeichens Frontmann der Simple Minds. Seit den späten Achtzigern wurde von den Simple Minds vor allem Weichspülware geboten. Eine Ausnahme stellte allerdings das im letzten Jahr veröffentlichte, ganz kernige Album „Graffiti Soul“ dar. Den Weg, der bei jenem Album begonnen wurde, geht Sänger Jim Kerr nun mutig und selbstbewusst weiter und schafft es tatsächlich, eine wohl durchdachte und über weite Strecken kernige bis stellenweise sogar richtig rockige erste Soloplatte vorzulegen. Dass der eine oder andere Song dabei dann doch verdächtig in Richtung der Hauptband Simple Minds schielt (insbesondere der Somg „Red Letter Day“) ist nicht schlimm, denn es wird der Stil der „alten“, der coolen Simple Minds ins Visier genommen. Und so kann man wohl behaupten, dass Songs wie „Red Letter Day“, „Refugee“ oder „Remember Asia“ auch auf so großartigen Popperlen wie einst „New Gold Dream“ oder „Sparkle in The Rain“ eine gute Figur gemacht hätten.

Doch an die legendäre und offenkundig unwiderbringliche Frühphase der Band, die uns solche kultigen Lieblingsalben wie etwa „Empires And Dance“ gebracht hat, reicht auch das „Lostboy!“-Projekt leider nicht heran. Trotzdem ist das Album äußerst hörenswert geraten und kann jedem Liebhaber gut gemachter, freilich aus heutiger Sichtweise nichts weniger als kommerziell zu nennender, Rockmusik sehr ans Herz gelegt werden.

Zwei Fußnoten habe ich noch. Erstens: Wenn man sich ein Incognito gibt, sollte man es auch durchziehen. Also, entweder „Lostboy!“ oder nicht „Lostboy!“, aber „Lostboy! a.k.a. Jim Kerr“ ist grenzwertig zur naiven Peinlichkeit und wird der wirklich hochklassigen Musik auf diesem Album absolut nicht gerecht. Zweitens: Als absolute Randnotiz wird es den Einen oder die Andere vielleicht doch interessieren, dass mit Charlie Jones hier niemand Geringeres als der Schwiegersohn von Robert Plant in die Basssaiten greift. Und das trägt, wie nicht anders zu erwarten war, natürlich ebenfalls zum insgesamt sehr guten Gesamteindruck des Albums bei. Charlie Jones spielte u. a. seit 1990 auf jeder Robert Plant-Solo-Scheibe sowie auf den beiden Page & Plant-Alben.

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