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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

I'm Not There

Zwischen selbstgefälliger Dekonstruktion und Mythoskitsch: Todd Haynes' fiktionalisierte Filmbiographie über Bob Dylan

von Frank Castenholz  •  27. Februar 2008

Eine gütige Bewertung verdient der Film – abgesehen von seinen drei mit Abstand schönsten Minuten, die er einem unverhofften Auftritt der Band „Calexico“ mit Gastsänger Jim James („Goin‘ To Acapulco“) in der fiktiven Westernstadt „Riddle“ verdankt – wohl nur aus einem Grund: der dunklen Ahnung, die sich irgendwann im letzten Drittel regt, dass daraus mit einem anderen Regisseur, anderen Schauspielern, einem weitaus skrupelloseren Cutter ( „Sorry, Mr. Gere, but your scenes didn’t make it….“ ) – und notwendigerweise wohl auch einem anderen Sujet – ein recht passabler Film hätte werden können. Denn die Idee, einer zerrissene Biographie mit mehreren Schauspielern auf mehreren potentiellen Lebenswegen unchronologisch nachzugehen, muss nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt sein.

Bei Haynes wird man indes leider mit prätentiösen, muffigen Einfällen aus der Mottenkiste des Regietheaters regelrecht bombardiert (Dylans Band holt auf dem Newport Folk Festival Maschinengewehre aus den Gitarrenkoffer; in Anspielung auf Dylans Prosawerk „Tarantula“ läuft, Achtung, eine Tarantel über die Leinwand; Dylan ist ein Luftballon!...), die sich mit uninspirierten 1:1-Nacherzählungen ausgelutschter Schlüsselelemente ( nein, Pete Seeger, bitte nicht schon wieder die Axt-Nummer! ) in aufgeblasener Big-Budget-Ästhetik zu einer Achse der fast 2 1/2 Stunden Lebenszeit raubenden Langweile verbünden. Auch wenn Cate Blanchet eine anständige Dylan-Kopie abgibt: wozu muss ich mir ellenlange Szenen, die hinlänglich aus den Dokumentarfilmen „Don’t Look Back“ (D.A. Pennebaker) und „No Direction Home“ (Martin Scorsese) bekannt sind – Dylans schnoddrige Auftritte vor der UK-Presse; die Judas-Rufe, gekontert mit „I Don’t Believe You!“... – noch mal in sklavischer Nachstellung geben? Was treibt einen Regisseur in die Selbstgefälligkeit, mit einem aus Mythenversatzstücken, halbherziger Legenden-Dekonstruktion und beliebigen Star-Cameos zusammengerührten Magerquark einen gänzlich spaß- und leidenschaftsbefreiten Rockmusik-Film zu zimmern, der einem die Faszination an Dylans Musik gründlich auszutreiben sucht (glücklicherweise vergeblich)?

Bezeichnende Schlusspointe: Als ich mit meiner Begleitung aus dem Saal kam, fragte sie: „Sag mal, seit wann ist Dylan eigentlich tot?“

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