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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Die Besondere CD: Simeon Ten Holt - Canto Ostinato (für Orgel)

Toon Hagen zaubert auf der großen Orgel der Sint-Michaëlskerk in Zwolle

von Rainer Aschemeier  •  6. November 2013

Simeon Ten Holt’s „Canto Ostinato“ war mir schon immer sympathisch. Ten Holt komponierte schon „Minimal Music“, während Philip Glass auf der anderen Seite des Atlantiks noch darüber nachdachte.
Ten Holt’s „Canto Ostinato“ ist sein bei Weitem bekanntestes Stück (siehe dazu auch diese Rezension) und hat schon eine Unzahl von CD-Einspielungen erlebt, wobei verschiedenste Besetzungen für dieses Stück zur Anwendung kamen. Ursprünglich für zwei Klaviere komponiert, gibt es u.a. Fassungen für ein Klavier, Orgel, Streichquartett, Bläserensemble, usw.

Beim niederländischen Qualitätslabel „Quintone“ erscheint nun eine der bislang allerschönsten Aufnahmen des beliebten Stücks in einer Fassung für Orgel. Auch das ist nicht die erste Einspielung dieser Art, aber hier haben wir Toon Hagen als Interpreten.
Und ich darf sagen, dass ich unumwunden b e g e i s t e r t bin von der Art, wie Toon Hagen den „Canto“ musiziert. So viel rhythmisches Feingefühl, solch dynamische Differenzierungsfähigkeit (dies zumal auf der dynamisch naturbedingt immer etwas „statisch“ wirkenden Kirchenorgel), solch herrliche „Flüssigkeit“ im Vortrag, so ein Gefühl, wie aus einem Guss, so ein reizvolles Spiel mit Klangfarben, so eine intime Musikalität. Ich bin restlos hin und weg.

Von allen Aufnahmen des „Canto Ostinato“, die ich bislang gehört habe, ist diese hier die allerbeste, allerschönste, diejenige, die mich dem Stück am meisten nahe bringt und mir das Gefühl gibt, die Musik zu verstehen. Ich denke, Toon Hagen kommt den Intentionen Simeon Ten Holts sehr nahe und straft überdies alle Zweifler Lügen, die behaupten, Simeon Ten Holts „Canto Ostinato“ sei „Easy-Listening-Musik“ oder gar irgendeine Form von minderwertiger Ideenauswalzerei.

Ich finde es vielmehr hochgradig faszinierend, wie Ten Holt über fast eineinhalb Stunden eine winzige, motivische Arpeggio-Keimzelle stets so neu entwickelt, das sich neue Aspekte daraus ergeben. Es ist zudem frappierend, welch breite Stimmungsvielfalt Ten Holt aus diesem winzigen melodischen Versatzstück herausarbeitet, das die Grundlage für den „Canto Ostinato“ darstellt. Wer das bemängelt, sollte sich vor Augen halten, dass wir es hier eigentlich mit einem uralten Prinzip zu tun haben, das beispielsweise schon Joseph Haydn gar nicht mal so unähnlich angewandt hatte. Auch Haydns Themen basieren oft auf einfachsten, beinahe kindlich naiv erscheinenden Motiven, und die Kust ist, wie Haydn diese Motive entwickelte.

In dieser Richtung sehe ich die eigentliche Traditionslinie von Simeon Ten Holts „Canto Ostinato“, der übrigens ganz und gar nicht immer „harmonisch“ oder „handzahm“ ist, sondern durchaus auch seine „hässlichen“, „unbequemen“ Seiten hat. Der „Canto Ostinato“ ist eine hinreißende Meditation über das Leben, das ewige Werden und wieder Vergehen. Es ist ein zutiefst menschliches musikalisches Statement, das in meinen Augen zu den großen musikalischen Schöpfungen des 20. Jahrhunderts gezählt werden muss und ganz zurecht ein „Ohrenöffner“ für etliche Komponisten und Interpreten war und noch immer ist.

Toon Hagen ist für diese Musik der denkbar ideale Interpret. Ich halte seine Einspielung des „Canto Ostinato“ für die Orgel-Interpretation, die dem Ideal des Komponisten bislang am nächsten kam. Übrigens klingt das Album auch noch hervorragend und ist ein echter Hifi-Tipp. Diese CD steht nun dick und rot auf der the-listener.de-“Shortlist“ zur „CD des Jahres“.

———CD-Details:

Simeon Ten Holt – Canto Ostinato
Toon Hagen (Orgel)
Label: Quintone
Vertrieb: membran
Katalog-Nr.: Q13003
EAN: 9789078740315

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