Go to content Go to navigation Go to search

The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Von Racheengeln, Vampirmädchen und schrecklich(nett)en Familien...

Rückblick auf den Brüsseler Filmfrühling (Teil 2)

von Frank Castenholz  •  8. Juni 2009

Das 27. Brussels International Fantastic Film Festival (BIFFF), dieses Jahr vom 9. bis 21. April, überforderte die Zuschauer wie gewohnt mit einem reichhaltigen und abwechslungsreichen Programm aus allen Bereichen des einschlägigen Genrekinos (Horror, Science Fiction, Thriller, Fantasy). Gar nicht so einfach, sich die mutmaßlichen Rosinen herauszupicken…

In 3 Tagen bist Du tot 2 (Dead in 3 Days 2) von Andreas Prochaska hat mich positiv überrascht. Nicht dass ich etwas gegen den ersten Teil gehabt hätte, ein durchaus sympathischer, wenn auch streckenweise etwas unbeholfener und allzuzahmer Versuch, die erprobte US-Slasher-Formel im Stil von „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ an den Ebensee in Österreich zu verlagern. Der sympathisch bodenständig auftretende Regisseur gab beim auf die Vorführung folgenden Interview zu, dass Teil 1 offensichtlich eine Art Remake gewesen sei, bei der seine eigene Handschrift noch nicht voll durchkommen konnte, schon wegen des eingeschränkten Budgets und des knappen Zeitrahmens.

Andreas Prochaska (links) beim Interview nach der Vorführung


Teil 2 setzt zwar inhaltlich die Handlung des Vorgängers fort, ohne allerdings auf den gleichen ausgetretenen Spuren zu wandeln. Nina (toll: Sabrina Reiter), die die Messerattacken am Ebensee körperlich, aber nicht seelisch überstanden hat, geht auf die Suche nach ihrer Freundin Mona, die in ihrem Geburtsort in den Tyroler Alpen verschollen scheint, und macht dabei die unangenehme Bekanntschaft einer merkwürdigen, auf einer Alm hoch in den Bergen zurückgezogen hausenden Familie, deren geistesverwandschaftliche Spuren unverkennbar in Texas („Chainsaw…“) oder Frankreich („Frontieres“) zu verorten sind.
Während die Erzählung anfangs noch recht langsam in Fahrt kommt, häufen sich ab der zweiten Hälfte die Knalleffekte, das Ausmaß an drastisch überzeichneter Gewalt, das sich nach und nach steigert, überrascht (gerade im Vergleich zu Teil 1). Die anfangs reservierte Nina wandelt sich zum geschundenen, blutgebadeten, knallharten Racheengel in Unterwäsche.

Blutgebadeter Racheengel: Sabrina Reiter

Neben der erfrischenden Ironiefreiheit und dem wohlüberlegten und durchaus orginellen Skript, das den Film mit einer interessanten Blickwende enden lässt, erfreute besonders, dass Prochaska großen Wert auf die Fotographie gelegt hat und es (diesmal) verstanden hat, nicht allein die beeindruckende Natur für sich sprechen zu lassen, sondern der Landschaft und den Protagonisten auf unaufdringliche Weise eigene Rahmen, Perspekten und Arrangements zu geben.

Dafür, dass Prochaskas Wunsch, den Genre-Film aus Österreich zu etablieren und international zu etablieren, in Erfüllung geht, hat er selbst das notwendige getan. (Dass Soap & Skin im Soundtrack auftacht, ist das i-Tüpfelchen.)

Das Remake von Last House On The Left von Dennis Iliadis war, wer hätte es anders vermutet, solides, temporeiches, gegen Ende nahezu comichaft überzeichnetes Rape ‚n‘ Revenge-Genrefutter, hat aber mit der den Zuschauer ratlos zurücklassenden kalten Radikalität der Vorlage von Wes Craven aus dem Jahr 1972 nur wenig zu tun (obwohl Craven selbst an der Produktion beteiligt war). Nicht nur, dass die Verbrecherbande diesmal, ordentlich aufgepimpt, aus einem Tarantino- oder Coen-Charakter-Baukasten zu entspringen scheint – der Boss als Nick Cave-Doppelgänger, mit trotteligem Bruder, sexy Gansterbraut und schüchternem Kiffersöhnchen, der mit seinem Gewissen kämpft – und demnach nichts mehr mit den schmierigen, gesichtslosen Vorstadt-Alltagsverbrechern der Vorlage zu tun hat. Auch wurde an einigen wenigen, aber entscheidenden Stellschrauben im Skript gedreht, die die Geschichte nun vorhersehbar, gewöhnlich und publikumsanbiedernd erscheinen lassen (treffend daher die Spiegel Online-Kritik). Gangster tot, Familie glücklich?! Eigentlich kann man sowas nach „Funny Games“ nicht mehr allen Ernstes herunterkurbeln. Verwunderlich daher die BIFFF-Würdigung mit einem „Silbernen Rabe“ für „best directing“.

Mum & Dad von Steven Sheil (UK) ist eine weitere, mit einem Mirkobudget von 120.000 € realisierte Variante des Schrechlich-nette-Familie-Horrors, schauspielerisch durchaus achtbar, kommt allerdings leider ab dem Zeitpunkt, an dem die junge polnische Putzfrau Lena in die Familienfänge ihrer vermeintlichen Putzfreundin geraten ist und das genreübliche Martyrium zu durchleiden hat, ohne interessante Wendungen und Ideen aus und lässt die 85 Minuten, in denen Lena um ihr Überleben kämpft, recht lang geraten. „Brutal and perverse. It’s about the perversity of the family cell… it perniciously distorts something perfectly normal.“ , preist der Regisseur sein eigenes Werk an und verspricht natürlich zuviel.

Der spanische Festival-Beitrag Sexykiller (Publikumspreis des BIFFF) von Miguel Marti gibt sich als überdrehte, stellenweise an den Stil des frühen Almodovar erinnernde, nahezu hysterische Parodie auf das Killerfilm-Genre, die sich ihrer vielen Pointen, Anspielungen, Verfremdungseffekte und originellen Einfälle (Werbeeinblendungen für Killertools, direkte Ansprache ans Publikum etc.) allzu sicher ist. Hier ist es also zur Abwechslung mal eine junge Studentin, die aus Spaß an der Freude Liebhaber, Kommilitonen, Professoren und sonstige Bekanntschaften kreativ meuchelt. Ich habe mich durchgehend gefragt, ob ich den Film nun eher anstrengend oder eher amüsant finde, aber als gegen Ende dann überraschend noch ein Haufen Zombies um die Ecke bogen, habe ich mich für die Unterhaltung entschieden. Kann man mögen.

Dann aber zum Abschluss Låt den rätte komma in (Let The Right One In) von Tomas Alfredson (Schweden), der verdientermaßen den „“Golden Raven, Grand Prix of the 27th Brussels International Fantastic Film Festival“ erhalten hat.

Ebenfalls blutüberströmt und rächend: Vampirgirl Eli (Lina Leandersson)

Da der Film in Deutschland schon Ende letzten Jahres in die Kinos kam und bereits eine Vielzahl positiver Kritiken und internationaler Preise eingeheimst hat, belasse ich es bei einer drängenden Empfehlung: Unbedingt anschauen, diese präpubertäre Liebesgeschichte zwischen einem verschüchterten Außenseiter und einem Vampirmädchen ist in ihrer Balance aus Rohheit und Zärtlichkeit ganz entzückend!

Stöbern

Verwandtes / Ähnliches:

Archiv

Alle Artikel können im Archiv nachgeschlagen werden. Dort ist auch eine gezielte Suche möglich.