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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Spider Baby
Regie: Jack Hill

(1964)

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Offscreen Reviews V: SPIDER BABY

von Frank Castenholz  •  26. März 2008

Jack Hill bezeichnete „Spider Baby“, seinen erster großen Spielfilm, als seinen Liebsten (man tue sich ja auch schwer, unter seinen Kindern das Liebste auszuwählen, aber wenn es schon sein müsse, dann wohl…). Entsprechend groß war meine Erwartung. Als ich am Samstag abend das Kinofoyer betrat, wunderte ich mich zunächst, von welch merkwürdigem Publikum ich umgeben war, das kaum Überschneidungen zu der üblichen Art House-Kundschaft aufzuweisen schien: abgeschminkte Marilyn Mansons, aufgeschminkte Dita von Teeses, Lederjackenschwule, New-Wave-Dominas… Oha, ich hatte im Programm übersehen, dass das Hill-Double-Feature auf eine Dokumentation namens SICK: The Life & Death of Bob Flanagan, Supermasochist folgte und uns zudem, als Bindeglied zwischen den beiden ungleichen Metiers, eine SM/Gothic-Showeinlage bevorstand: Mademoiselle Jean rührte uns in ihrer couragierten Live-Performance einen rot-weiß-schwarzen Krankenschwester-, Bondage- und Nekro-Fetisch-Kessel an, garniert mit einem psychotischen Film/Sound-Mix aus Disney-Süße und Splatter-Schlachtplatte – ein durchaus kurzweiliger Pausenfüller, für den sich Hill, der in erster Reihe noch in Spritzweite des Kunstbluts saß, artig bedankte.

Film ab: Der herzensgute Bruno (Lon Chaney Jr.) kümmert sich in einem entlegenen Haus um die verwaisten Merrye-Kinder, die alle an einer seltsamen Krankheit leiden: vor Einsetzen der Pubertät entwickeln sie sich im Laufe der Zeit mental zurück, sogar über das frühkindliche Stadium hinaus ins Animalische. Während der große Bruder Ralph (Sid Haig) charakterlich und verhaltensmäßig schon weitgehend ins Wölfische degeneriert ist, sind die Schwestern Elizabeth (Beverly Washburn)und Virgina (Jill Banner) noch recht gut artikuliert; letzterte fühlt sich gleichwohl eher den Spinnen als den Menschen zugehörig und geht, wenn Bruno mal gerade außer Haus ist (das hat immer böse Folgen!), bevorzugt mit Netz und Messer auf Beutejagd. Als die gierigen Verwandten mit ihrem wieseligen Anwalt Schlocker in diese, nun ja, Idylle dringen, um sich Hab und Gut der Merrye-Sippschaft unter den Nagel zu reißen und die Kinder ins Heim zu stecken, nimmt das Unheil seinen Lauf…

„Spider Baby, Or The Maddest Story Ever Told“ kann man wohl thematisch als das fehlende Glied zwischen „Psycho“ und „The Texas Chain Saw Massacre“ verstehen. Der Film zeigt nach meiner Wahrnehmung noch nicht Hills stärkste Leistung als Regisseur, dafür fehlt es ihm noch etwas an Tempo und „flow“; gleichwohl ein außergewöhnliches, mutiges Regiedebüt, das – als unkonventionelle Horror-Komödie angelegt – den harmlosen, niedlich-schrägen Grusel-Humor der Addams Family mit recht expliziten Schockelementen und einer Prise Erotik anreichert; wichtiger aber: die Figuren sind bis in die Nebenrollen allesamt so originell und liebevoll gezeichnet, dass man sie unbedingt ins Herz schließen muss – allen voran den im Komödiengenre unerfahrenen Lon Chaney Jr., der den lange verzögerten Kinostart des Films nicht mehr erleben sollte: wenn Bruno es aus Sorge um die Zukunft „seiner“ Kinder die Tränen in die Augen treibt, sollte auch im Publikum keine Brille unbeschlagen bleiben.

Ein Remake ist übrigens in Produktion.

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