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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. Canteloube - Chants d'Auvergne / Triptyque
Royal Philharmonic Orchestra - A. de Almeida / F. von Stade (Mezzosopran)

(2014/1986)
Newton Classics / Vertrieb: membran

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Joseph Canteloube - Chants d'Auvergne / Triptyque

Klingender Leuchtturm!

von Rainer Aschemeier  •  11. März 2014
Katalog-Nr.: 8802174 / EAN: 8718247711741

Praktisch das einzige Werk, das sich vom französischen Komponisten Joseph Canteloube bis heute im internationalen Konzertrepertoire erhalten hat, sind die „Chants d’Auvergne“. Das ist natürlich schade, denn als Musikwissenschaftler hat sich Canteloube intensiv mit den Volksliedern verschiedenster Regionen Frankreichs beschäftigt und hat diese auch in seinen eigenen Kompositionen verarbeitet. Und so gibt es von ihm außerdem noch die „Chants du languedoc“, „Chants des terroirs Français“ und noch andere Kompositionen, die in direkter Nachfolge der wunderschönen Chants d’Auvergne stehen und sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Umso erfreulicher ist es, dass die Niederländer von Newton Classics dieser Tage einen der bislang hochkarätigsten Rereleases in der Geschichte des Wiederverwertungslabels mit dem Drachenlogo vorgelegt haben. Auf dieser in meinen Augen ultimativen Referenzeinspielung der Chants d’Auvergne des Royal Philharmonic Orchestra unter Leitung von Antonio de Almeida mit der atemberaubenden Stimme Frederica von Stades gibt es zudem die Möglichkeit, auch einmal ein anderes Stück Canteloubes hören zu können. Die Rede ist hierbei von dem dreisätzigen Stück „Triptyque“ aus dem Jahr 1914, also aus der Zeit vor den Chants d’Auvergne, die fortlaufend über mehrere Jahre ab den 1920ern komponiert wurden.

Antonio de Almeida ist der i d e a l e Dirigent für dieses Repertoire. Zu Lebzeiten war er vor allem als Offenbach-Fachmann bekannt und war deshalb immer ein wenig als „Operettendirigent“ unterschätzt (ebenso unterschätzt übrigens, wie es wohl Offenbachs Operetten als Solche sind). Was dabei oft übersehen wird, ist, dass de Almeida sich auch intensiv für „mediterran“ gefärbtes Repertoire aus dem 20. Jahrhundert eingesetzt hat.

Und so gibt es von ihm sensationelle Rodrigo-Einspielungen und die immer noch einzige verfügbare Gesamteinspielung der Sinfonien Gian Francesco Malipieros (die allerdings nicht gerade zu den Sternstunden de Almeidas gehört; Rezension dazu siehe hier).

Die Chants d’Auvergne, die de Almeida mit dem Royal Philharmonic und Frederica von Stade in den 1980er-Jahren für CBS eingespielt hatte, gehören bis heute zu den unsterblichen Leuchtturmproduktionen der Schallplattengeschichte. Während de Almeida das britische Orchester so farbig und luzid spielen lässt, dass man als Hörer vermeint, den Lavendel- und Thymianduft der Auvergne im Hörraum vernehmen zu können, wird deutlich, dass diese Musik für Frederica von Stade eine echte Herzensangelegenheit gewesen sein muss: Mit nie dagewesener Inbrunst werden die Chants d’Auvergne von ihr zelebriert. Stade singt, als ginge es hier um die einzige, die wahre, die definitive Dokumentation dieses Repertoires und als wären die Chants d’Auvergne das wichtigste und bedeutendste Stück der Musikgeschichte.
Frederica von Stade befand sich zur Zeit der Aufnahme in ihren frühen Vierzigern und war in dieser Zeit besser bei Stimme als je davor oder danach.

Ja, wahrlich: Diese Einspielung ist eine der wenigen ultimativen und absolut zeitlosen Referenzempfehlungen der klassischen Musik. Die Musik ist fantastisch, und die Einspielung steht ihr in nichts nach. Diese Aufnahme ist idealtypisch. So sollte es sein und nicht anders. Dazu erfreut auch noch ein bis heute beeindruckend transparenter und durchhörbarer HiFi-Sound, der zwar ein wenig zu stark das „Digitalfeeling“ der 1980er durch die Boxen transportiert, dies aber durch eine vollkommene Luzidität bis in die hintersten Orchesterränge wettmacht.

Kurz und gut: Dieses Album gehört zur Pflichtausstattung. Und wer übrigens immer noch glaubt, die Chants d’Auvergne wären in der Interpretation Dawn Upshaws mit dem Orchestre de l’opéra de Lyon unter Kent Nagano besonders gut (einfach deswegen, weil das in jedem Konzertführer steht und weil man sich das leider eben so herumerzählt), der möge sich BITTE von dieser Aufnahme hier eines Besseren belehren lassen!
Naganos Chants d’Auvergne-Aufnahme von 1996 gehört im Vergleich bestenfalls zur Mittelklasse und ist meilenweit entfernt von Geniestreichen wie diesem oder anderen Spitzenklasseeinspielungen wie etwa der des Orchestre d’Auvergne unter der fabelhaften Leitung Jean-Jaques Kantorows.

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