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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

R. Vaughan Williams - Klavierquintett c-Moll / F. Schubert - "Forellen-quintett"
Münchner Klaviertrio mit T. Widenmeyer (Viola) & A. Rilling (Kontrabass)

(2014)
Genuin / Vertrieb: note1

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"Inspired by song": Ralph Vaughan Williams - Klavierquintett c-Moll / Franz Schubert - "Forellenquintett"

Begrüßenswert originelle Werkkopplung, allerdings in nur moderat begeisternder Interpretation

von Rainer Aschemeier  •  6. März 2014
Katalog-Nr.: GEN 14305 / EAN: 4260036253054

Das Münchner Klaviertrio und Schuberts „Forellenquintett“? Hatten wir nicht…, gab es da nicht…? Jawohl, es gab!
1998 erschien das berühmte Schubert-Quintett schon einmal in einer Aufnahme mit dem renommierten Münchner Klaviertrio beim seinerzeit durch Dieter Oehms recht erfolglos ins Leben gerufenen Low Budget-Label „Arte Nova“. Sogar einer der Gäste war damals derselbe, nämlich Bratschist Tilo Widenmeyer. Heute ist diese Aufnahme immer noch erhältlich und mit derzeit etwa neun bis zehn Euro immer noch im Low-Budget-Sektor unterwegs, wenngleich sie damit kurioserweise derzeit teurer verfügbar ist als am Tag ihrer Erstveröffentlichung.

Wie dem auch sei: Die Zeit bleibt nicht stehen, und so ist es selbstverständlich nicht nur legitim sondern auch begrüßenswert, dass das Münchner Klaviertrio in diesem Jahr eine blitzblanke Neueinspielung des Schubert-Klaviertrios vorgelegt hat. Neben Tilo Widenmeyer ist diesmal noch Kontrabassist Alexander Rilling mit an Bord, der zu Zeiten der Erstaufnahme nicht mit dabei gewesen war.

Noch etwas ist neu an der jetzt erschienenen neuen Einspielung beim Label Genuin: Wir haben hier erstmals eine Liveaufnahme dieses Stücks vom Münchner Klaviertrio, die am 10. Juli 2013 in München mitgeschnitten wurde. Vor allem aber ist es die Kopplung mit einer musikalischen Trouvaille, die dieser Neuerscheinung unsere Aufmerksamkeit sichert.

Mit Vaughan Williams‘ c-Moll-Klavierquintett aus dem Jahr 1903 liegt hier nämlich eines jener Werke vor, die der Komponist einst nach Abschluss seiner Studien bei Maurice Ravel mit einem Aufführungsverbot belegte, das erst im Jahr 2007 durch die lange verwitwete Ehefrau des Komponisten aufgehoben wurde.

Es ist schön, dass wir mit der Fassung des Münchner Klaviertrios nun endlich eine Alternativaufnahme zu der 2008 erschienenen Ersteinspielung des Vaughan Williams-Quintetts durch das Schubert Ensemble bei chandos in Händen halten!
Erfreulicherweise darf man verkünden, dass auch die Neuerscheinung dieses Stücks bei Genuin fast ebenso hochkarätig geraten ist wie die Weltersteinspielung durch das Schubert Ensemble. Wenn ich dabei „fast“ sage, dann vor allem deswegen, weil wir hier leider mit typischen Problemen einer Liveaufnahme konfrontiert werden.
Diese äußern sich überwiegend in leichten Intonationsunreinheiten, insbesondere zu Beginn des ersten Satzes, aber auch gelegentlich im weiteren Verlauf des Stücks.
Das Werk selbst gehört vollständig zu Vaughan Williams‘ Frühphase, die stark von seinem Kompositionslehrer Max Bruch und über diese Traditionslinie von Brahms beeinflusst war. Wir haben hier in meinen Augen kein verschollenes Hauptwerk des Komponisten vor uns, wohl aber ein höchst interessantes Zeitfenster in die Periode des frühesten Vaughan Williams-Stils, von dem uns in den letzten Jahren wunderbarerweise immer wieder Entdeckungen auf den Tisch kommen (Rezensionen zu weiteren Werken siehe etwa hier, hier und hier).

Was den Schubert auf dieser CD angeht, so pflegt das Münchner Klaviertrio mit seinen Gästen eine in meinen Augen etwas schrullige Werkauffassung. So ist etwa der berühmte Variationssatz über das Lied „Die Forelle“, der dem „Forellenquintett“ schließlich seinen Namen gab, in dieser Aufnahme etwas sehr gemütlich, vielleicht kann man stellenweise sogar „behäbig“ sagen, geraten. Trotz des klar hörbaren Bemühens um größtmögliche Akkuratesse haben sich auch bei dieser Einspielung wieder Intonationsunreinheiten und auch einige richtige Patzer eingeschlichen.
Das ist bei Liveaufnahmen selbstverständlich vollauf tolerabel, doch sollten die dann auch die entsprechende Energie und Beseeltheit vermitteln. Hier wirkt leider manches überprobt und auch sehr routiniert. Da höre man sich zum Beispiel den ersten Satz des Forellenquintetts an und vergleiche mit etlichen anderen Einspielungen. Die Münchner klingen bei diesem Repertoire – ich scheue mich es zu sagen – einfach etwas langweilig. Das kommt in der Tat manchmal nicht sehr empathisch rüber. Das äußert sich auch in einer vergleichsweise schmalen dynamischen Palette und in einer nicht immer geglückt erscheinenden Phrasierung. Und beim abschließenden Allegro giusto – eigentlich ja eine Art ländlicher Tanzsatz mit durchaus abgründigen Momenten – klingt diese Einspielung eher wie eine Militärkapelle bei einem Offizierstanzball: nicht seelenvoll und romantisch, sondern eher „zackig“ und „korrekt“.

Kurz und gut: Dieses Album hat zwei Seiten. Das Vaughan Williams-Quintett lohnt sich durchaus, zumal auch wegen der hervorragenden Klangqualität die hier geboten wird und die selbst dem viel gerühmten „chandos-Sound“ haushoch überlegen ist. Das Schubert-Quintett ist hingegen eine Enttäuschung, die man anderenorts ganz sicher besser und weniger steif interpretiert finden wird.

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