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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

W. Mathias - Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 / R. Vaughan Williams - Fantasie f. Klavier u. Orchester
Ulster Orchestra - G. Vass, M. Bebbington (Klavier)

(2011/2012)
SOMM

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William Mathias - Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 / Ralph Vaughan Williams - Fantasie für klavier und Orchester

Grandiose CD aus Großbritannien mit sensationeller Vaughan Williams-Wiederentdeckung

von Rainer Aschemeier  •  23. April 2012
Katalog-Nr.: SOMMCD 246 / EAN: 748871324626

Es ist schon etwas Wahres dran, an der Feststellung, mit welcher der Deutschland-Vertrieb des britischen HiFi-Labels „Somm Recordings“ die hier vorgestellte CD bewirbt: Es ist in der Tat kaum zu glauben, dass es von einem mittlerweile weithin populären Komponisten wie Ralph Vaughan Williams noch immer Werke gibt, die als praktisch unbekannt gelten müssen und bislang noch nie auf CD erschienen sind.

Es gilt hier tatsächlich einmal eine ausnahmsweise mal wirklich wichtige und lohnende Weltersteinspielung zu begrüßen. Und es ist ein Glück, dass diese schöne CD, die 2011 bereits in Großbritannien erschienen ist, nun auch auf dem deutschen Markt von jedem x-beliebigen Plattenladen aus geordert werden kann.

Viele sind erstaunt, wenn im Zuge der Vorstellung des großen britischen Sinfonikers Ralph Vaughan Williams auch die Rede auf sein Klavierkonzert kommt. „Was, der hat auch für Klavier geschrieben?“, ist dann meistens die ungläubige Nachfrage.
Im Prinzip müsste man antworten: „Natürlich, wie könnte er denn nicht?“ Er, der zahllose Lieder für Singstimme mit größtenteils höchst einfallsreicher und geschickt gesetzter Klavierbegleitung geschrieben hat…

Nun gesellt sich also zu dem schon oft eingespielten und „offiziellen“ Klavierkonzert (das man auch als Bearbeitung für zwei Klaviere kennt) noch eine bis vor Kurzem „inoffizielle“ Fantasie für Klavier und Orchester hinzu.

Wieso inoffiziell?
Der Komponist selbst hatte zu seinen Lebzeiten beinahe alle seiner Frühwerke bis zu der Zeit seines Kompositionsstudiums bei Maurice Ravel mit einem Aufführungs- und Veröffentlichungsbann belegt. Im Gegensatz zu manch anderem Zeitgenossen ging Vaughan Williams aber glücklicherweise nicht so weit, diese Werke zu vernichten. Er legte sie zur Seite und vertraute sie nach seinem Tod seiner wesentlich jüngeren zweiten Ehefrau Ursula Vaughan Williams an, die noch vor ihrem eigenen Tod im Jahr 2007 das Aufführungsverbot für ausgewählte Frühwerke aufhob.

Es ist nun also das erste Mal, dass eines der Hauptwerke aus Vaughan Williams Frühzeit (die Spielzeit der Fantasie umfasst immerhin beinahe 30 Minuten!) in einer CD-Einspielung vorliegt. Und was für eine Einspielung das ist!
Das namhafte Ulster Orchestra, das man üblicherweise vor allem von den Labels chandos und Naxos her kennt, erweist sich für die Einspielung als glänzende Wahl. Dirigent George Vass kennt man bereits von früheren SOMM-Aufnahmen. Er ist in Großbritannien ein namhafter und gern gesehener Gastdirigent zahlreicher renommierter Orchester. Auf der vorliegenden Aufnahme erweist er sich als überaus versierter Interpret, der mit den dichten Texturen, der auf der vorliegenden CD vorgestellten Stücke bestens zurechtkommt.
Pianist Mark Bebbington kann auch nur vollstes Lob ob der hier erbrachten Leistungen ausgesprochen werden. Besser kann man die hier aufgenommenen Stücke wohl nicht vortragen. Bebbington ist auch zu keiner Sekunde überfordert mit der zum Teil doch recht gewaltigen Macht des Orchesterapparats, der in allen hier zu hörenden Stücken zutage tritt. Er weiß sich jederzeit dem Orchester gegenüber zu behaupten und vertritt seinen jeweiligen Solopart absolut souverän und hoch virtuos.

Dies ist sicher auch ein sehr angenehmer Beieffekt der äußerst grazil und durchhörbar gestalteten Klangumgebung. Endlich einmal hat sich das selbst ernannte „HiFi“-Label SOMM auch dazu aufschwingen können, tatsächlich eine wirklich HiFi-taugliche Aufnahme vorzulegen.
Durchzeichnung und akustische Auflösung sind erstklassig, die Räumlichkeit ist wunderbar, das Orchester (vor allem das Blech) entfaltet Power ohne Ende und die Streicher glänzen wie eine Perlenschnur. Alles hat Saft und Kraft, klingt sehr natürlich, in keine Richtung überbetont oder gekappt. Kurzum: Es ist eine Freude, diese CD auf einer guten HiFi-Anlage zu hören.

Eine Freude ist es übrigens auch, dass es hier nicht beim Vaughan Williams allein bleibt, sondern dass wir hier auch noch zwei Klavierkonzerte des walisischen Komponisten William Mathias zu hören bekommen, der zumindest mir bis dato völlig unbekannt war.
Dies jedoch – so muss ich nun zugeben – war ein schweres Versäumnis von mir. Mathias’ Konzerte sind von hohem Unterhaltungswert, sind britisch durch und durch, erlauben sich aber mehr und deutlichere Jazz-Anklänge als die Musik von Vaughan Williams, die – zumindest bei dem hier vorgestellten Frühwerk – noch sehr spätromantisch daherkommt und unzweideutig den Geist von Vaughan Williams’ Kompositionslehrer Max Bruch verströmt.
William Mathias hingegen greift bei seinen in den 1950er- und 1960er-Jahren uraufgeführten Konzerten stärker auf expressionistische Einflüsse zurück. Die Musik erinnert mich persönlich etwas an einen „jazzigen“ Hindemith- oder gelegentlich auch Schostakowitsch-Sound.
Beide Werke sind sicherlich etwas anachronistisch, durchwegs tonal und höchstens moderat expressiv, doch sie sind von vorn bis hinten einfach grandiose, wirklich fantastisch gute Musik – die, wie gesagt, zudem noch großen Unterhaltungswert besitzt.

Es ist zu hoffen, dass SOMM mit dieser CD möglichst viel Anklang bei der Käuferschaft findet, denn diese Einspielung hätte ein breites Käuferinteresse wahrlich verdient. Ich zumindest bin ganz begeistert und hoffe sehr darauf, dass es bald sowohl weitere Vaughan Williams Wiederentdeckungen geben wird als auch weitere Einspielungen von Werken von William Mathias.
Wenn dann wieder das hier versammelte Team am Start ist, kann kaum etwas schief gehen.

Ich bin derart entzückt, dass ich diese CD schon einmal ganz weit oben auf die Nominiertenliste für die „CD des Jahres“ setzen möchte. Selbst im äußerst starken letzten Veröffentlichungsjahr 2011 wäre diese grandiose Veröffentlichung sicherlich auf den vorderen Plätzen bei der Jahresendwertung gelandet. Da sie nun erst seit März 2012 in Deutschland erhältlich ist, werfen wir sie mal ins Rennen um den „CD des Jahres“-Titel anno 2012…

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