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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Darius Milhaud - Klavierkonzerte Nr. 1-5
SWR RO Kaiserslautern - A. Francis, M. Korstick

(2006)
cpo

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Darius Milhaud - Musik für Klavier und Orchester (Gesamtaufnahme)

SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern - Alun Francis, Michael Korstick

von Rainer Aschemeier  •  23. November 2006

CD-Einspielungen von Werken Darius Milhauds sind heutzutage selten geworden. Dabei zählte Milhaud einst zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit. Als Mitglied des avantgardistischen frankophonen Komponistenbunds „Les Six“ befand er sich in den 1920er und 30er Jahren in der illustren Gesellschaft von Francis Poulenc, Germaine Tailleferre, Georges Auric, Arthur Honegger und Louis Durey. Das Grüppchen wurde durch den Einzug der Nationalsozialisten in Frankreich in alle Winde zerstreut und Milhaud landete – wie viele seiner Musikerkollegen – zunächst in den USA und machte dort Karriere. Dies war wohl auch der Grund, weswegen er nach dem Krieg nicht wieder vollständig in Frankreich sesshaft wurde, sondern ein Leben als Globetrotter zwischen den USA und Frankreich pendelnd führte.

Milhaud war übrigens auch einer der Pioniere der Schallplatte, spielte und dirigierte schon früh Tonträgeraufzeichnungen eigener Werke und wurde im Jahr 1956 sogar zum Präsidenten der Académie du Disque Francais gewählt. Umso bedauerlicher ist das heutige Fehlen von adäquaten CD-Aufnahmen mit Werken des – in jeder Hinsicht – gewichtigen Franzosen.

Dirigent Alun Francis bei der Verleihung des "Cannes Classical Award" im Jahr 2000 für seine cpo CD-Edition der Symphonien von Darius Milhaud.

Glücklicherweise gibt es das Label cpo, das immer wieder Repertoirelücken gezielt ins Auge nimmt, um sie mit CD-Einspielungen von hohem Niveau zu schließen. In einer seiner jüngsten Veröffentlichungen legte die kleine CD-Schmiede eine Gesamteinspielung von Milhauds Musik für Klavier und Orchester auf einer Doppel-CD vor. Den Schwerpunkt hierbei bilden natürlich die fünf Klavierkonzerte des Franzosen, aber auch Gelegenheitsstücke und die vergleichsweise populäre Suite „Le Carnaval d’Aix“ sind zu finden.

Die Klavierkonzerte von Darius Milhaud erweisen sich als zauberhafte, oft neoklassisch geprägte Stücke eines formbewussten Komponisten. Entgegen seines (auf den ersten Blick musikalisch nicht unähnlichen) italienischen Zeitgenossen Malipiero, der stets die klassische Form von Konzert und Symphonie außer Kraft zu setzen suchte, behält Milhaud den dreisätzigen Konzerttypus nach Mozart’scher Prägung stets als „Rückendeckung“ für seine abenteuerlichen bitonalen Experimente und flirrenden Klavierarpeggien bei.

Das Faszinierende an den Milhaud’schen Klavierkonzerten ist: Es handelt sich hierbei um Musik, die mit hochgradig anspruchsvollen Mitteln operiert, dabei aber auf ungewöhnliche Weise melodiös und somit auch Neueinsteigern in die „klassische“ Musik des 20. Jh. unmittelbar zugänglich bleibt (Man höre z. B. das zweite Klavierkonzert, op. 228). Könnte es ein schöneres Kompliment geben?

Die CD wurde vom SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern unter der Leitung des walisischen Dirigenten Alun Francis eingespielt. Francis, z. Zt. Generalmusikdirektor bei der Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl, gilt als Milhaud-Spezialist und nahm für cpo bereits eine Gesamteinspielung der 12 Symphonien des französischen Komponisten mit dem Radio-Sinfonieorchester Basel auf. Für jene CD-Box bekam er im Jahr 2000 den begehrten „Cannes Classical Award“ verliehen.

Als Solist fungiert Michael Korstick, der in letzter Zeit vor allem als Beethoven-Interpret Furore machte und im Jahr 2005 von Kritikerpapst Joachim Kaiser als „Entdeckung des Jahres“ gefeiert wurde.
Das Rundfunkorchester Kaiserslautern erweist sich auf der vorliegenden Aufnahme als hervorragendes Ensemble, das seinem „Großen Bruder“, dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, in nichts nachsteht. Das Ensemble aus Kaiserslautern profitiert offenbar zudem durch die Möglichkeit, vor Ort im SWR-Studio aufnehmen zu können, was den CD-Klang über jeden Zweifel erhaben sein lässt. Das Stuttgarter Radiosinfonieorchester hat es da oft nicht so gut, muss für CD-Produktionen zumeist in Räumlichkeiten wie die Stuttgarter Villa Berg oder die Stadthalle in Sindelfingen ausweichen.

Es bleibt die Feststellung, dass es cpo wieder einmal gelungen ist, einen musikalischen Schatz zu heben, dessen Gold in der vorliegenden Aufnahme besonders hell strahlt. Höchstwertung!

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