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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Vivaldi - "per l'Orchestra di Dresda"
Les Ambassadeurs - A. Kossenko

(2013)
alpha / Vertrieb: note1

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Antonio Vivaldi - "per l'Orchestra di Dresda"

von Rainer Aschemeier  •  19. Mai 2013

Vivaldis Kontakte zum Dresdener Hof sind fester Bestandteil der europäischen Musikgeschichte und äußerten sich nicht zuletzt in dem Konzert, das Vivaldi explizit „per l’Orchestra di Dresda“ verfasste (RV 577). Der Komponist reiste auch selbst nach Dresden, und so ist davon auszugehen, dass es mehr Konzerte als dieses eine gegeben haben muss, die der damaligen Dresdener Hofkapelle gewissermaßen „auf den Leib geschneidert“ wurden.
Schließlich wollte Vivaldi, der sich zum Zeitpunkt der Dresdener Reise belegbar nach Möglichkeiten umsah, um sich aus seinem problematisch gewordenen Umfeld in Venedig heraus nach anderen beruflichen Optionen hin zu orientieren, mit seinen Konzerten für die Dresdener Hofkapelle auch eine „musikalische Visitenkarte“ abgeben.

Die Dresdener Kapelle war zu Vivaldis Zeit insbesondere für ihre Bläser berühmt – und das überregional! Das Barockorchester „Les Ambassadeurs“, das sich als „europäisches Orchester“ versteht und Mitglieder aus mehreren europäischen Ländern (schwerpunktmäßig aber aus Polen und Frankreich) in seinen Reihen hat, hat deswegen nach Konzerten gefahndet, die vom zeitlichen Horizont und von ihrer Besetzung her als Kompositionen Vivaldis für den Dresdener Hof gemutmaßt werden können. Dabei haben sie das Konzert, das vom Komponisten explizit für die Dresdener Hofkapelle verfasst wurde, bewusst ausgeklammert – eben, um ein Bewusstsein für die anderen Werke zu schaffen, die durchaus wohl begründet mit dem Dresdener Umfeld in Verbindung gebracht werden können, in der allgemeinen Wahrnehmung aber eher vernachlässigt werden.

Man mag das als gewagten, vielleicht sogar unangebrachten Kunstgriff auffassen – jedoch nur so lange, bis man den „Start“-Knopf am CD-Player betätigt hat, um das umwerfende Endergebnis der Recherchen von „Les Ambassadeurs“ zu hören. Ihre CD ist einfach gut – von der ersten bis zur letzten Minute. Sicher: Die äußerst klare Herausarbeitung der Hornstimmen in den jeweiligen Konzerten ist schon ein etwas überdeutlicher „Wink mit dem Zaunpfahl“. Sicher: Auch der Tonmeister dieser Aufnahme scheint kompromisslos bläserfixiert gewesen zu sein, als ihn „Les Ambassadeurs“ für diese Aufnahme in ihr Boot geholt haben. Sicher: Alles in allem wirkt hier also manches auch etwas plakativ.

Nichtsdestotrotz muss man sagen: Hier gibt es Vivaldi frisch, zackig, präzise und trotzdem irgendwie auch charmant und unbekümmert. Es ist einfach eine rundum sympathische Aufnahme, die „Les Ambassadeurs“ hier auf dem „alpha“-Label vorgelegt haben.

Für Vivaldi-Fans dürfte das Klangbild, dass „Les Ambassadeurs“ hier aus den Konzerten RV 562, 568, 569, 571 und 574 herauskitzeln, durchaus auch ein Ohrenöffner sein – zumindest für diejenigen Vivaldi-Hörer, die von dem Komponisten vor allem die Stücke für das Orchester des „Ospedale della Pietà“ kennen. In seinen Dresdener Konzerten erweist sich der komponierende Priester nämlich als erstaunlich wandelbar, und es erscheint in diesem Licht betrachtet nur als logisch, dass sich auch ein Musiker wie Johann Sebastian Bach offenbar eingehend mit dem Werk des Venezianers auseinandergesetzt hat.

Das Klangbild der CD ist „alpha“-typisch extrem hoch auflösend und brillant, wobei ich das Endergebnis diesmal nicht so zu 100% überzeugend finde, wie es bei anderen Veröffentlichungen des Labels schon einmal gewesen ist. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass – wie bereits angesprochen – auch beim Ton ganz offenkundig versucht wurde, die Bläser besonders zu „betonen“. Ein natürliches Klangbild bleibt dabei meiner Meinung nach eher auf der Strecke. Auch die in meinen Ohren etwas übertriebene Hochtonbrillanz der Aufnahme, die zunächst frappiert, später aber auch leicht ermüdet, ist vielleicht ein wenig zu viel des Guten.

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