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The Listener

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D. Schostakowitsch - Sinfonie Nr. 7 "Leningrader"
Royal Liverpool Philharmonic Orchestra - V. Petrenko

(2013)
Naxos

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Dmitri Schostakowitsch - Sinfonie Nr. 7 "Leningrader"

Petrenko tappt nicht in die "Psychologiefalle"

von Rainer Aschemeier  •  4. Mai 2013
Katalog-Nr.: 8.573057 / EAN: 747313305773

In England und den USA ist er ein Star der Szene und wird als eine Art „russischer Dudamel“ gehandelt: Vasily Petrenko.
Der Russe, der mit gerade einmal 29 Jahren das renommierte Royal Liverpool Philharmonic Orchestra als künstlerischer Leiter übernommen hat, konnte sich in Blitzgeschwindigkeit etablieren und hat inzwischen, neben seiner erfolgreichen und andauernden Arbeit mit Naxos, einen lukrativen Deal mit EMI Classics in der Tasche.

Orchester in aller Welt reißen sich um das junge Talent, doch Petrenko hat ihnen allen erst kürzlich eine Absage erteilt und hat seinen Vertrag in Liverpool erst einmal verlängert. Offenbar ist ihm tatsächlich an einer längerfristigen künstlerischen Zusammenarbeit gelegen.
Eins jedenfalls ist klar: Unter Petrenkos Leitung ist das Orchester aus Liverpool so aufgeblüht, wie man es zuletzt beim City of Birmingham Symphony Orchestra gesehen hatte, als dort Simon Rattle den Tatktstock übernommen hatte. Und das war immerhin schon 1980!

Was ist das besondere an Petrenko?
Zunächst kann man vielleicht festhalten, dass Petrenko stilistisch quasi das genaue Gegenteil von Gustavo Dudamel ist. Während der Venezolaner vor allem auf Vortrieb und Effekt setzt, bedient Petrenko urkonservative Werte. Der russische Dirigent setzt auf skrupulöse Präzision, exakte Trennschärfe zwischen den Orchestergruppen und ebenso exakte Einsätze und Abschlüsse. Mit eher gemächlichen Tempi, die auch zugunsten einer kompromisslosen Durchhörbarkeit selbst dichtest gesetzter Partituren von Petrenko gewählt werden, erinnert sein Stil manchmal an den des späten Otto Klemperer, als jener seine Ära beim Philharmonia Orchestra hatte.

Dass so ein Stil bei Schostakowitsch-Fans in aller Welt gut ankommt, konnte man sich vorstellen. Petrenkos Schostakowitsch-Sinfoniezyklus auf Naxos ist schon heute, noch vor seiner Fertigstellung, einer der am meisten beachteten der letzten Jahre. Stilistisch erinnert er bislang manchmal sehr an den Zyklus, den Mariss Jansons zwischen 1988 und 2006 bei der EMI eingespielt hatte: Extrem zackig und korrekt, aber auch etwas „brav“.
Die emotionalen Tiefen, die Schostakowitschs Sinfonien zu bieten haben und die etwa ein Rudolf Barschai bei seinem Zyklus so erschütternd zutage gefördert hat, sind bei Petrenko eher etwas glatt poliert, was überhaupt ein Punkt ist, den man bedenken sollte: Petrenko bleibt gern an der Oberfläche. Er scheint die Musik, die er dirigiert, gar nicht so gern psychologisieren zu wollen. Vielmehr zeigt er mit seinen Dirigaten ziemlich unmissverständlich an: Kümmert Euch bitte um die Musik, nicht um das Schicksal des Komponisten!

Ob man das freilich voneinander trennen kann oder sollte, das mag jeder selbst entscheiden. Ich halte eine solche Einstellung jedenfalls für durchaus legitim und auch für ziemlich respektabel in einer Zeit, in der jeder Dirigent zum Psychologen geworden zu sein scheint und die Hoheit nicht nur über das Werk von Mahler, Schostakowitsch, Bruckner, usw. beansprucht, sondern auch über deren Psyche.

Für den Sound war hier Mike Clements zuständig, der neben Naxos u.a. für hyperion, DECCA, onyx und andere namhafte britische Labels tätig ist. Wie zu erwarten war, gibt es daher in dieser Richtung nichts auszusetzen. Die Aufnahme ist definitiv HiFi-tauglich.

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