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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

American Anthem
Ying Quartet & A. Neiman (Klavier), R. Scarlata (Bariton)

(2013)
Sono Luminus / Vertrieb: Naxos

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"American Anthem"

Musik von Barber, Hanson und Thompson

von Rainer Aschemeier  •  20. April 2013
Katalog-Nr.: DSL-92166 / EAN: 053479216625

„Anthem“ übersetzt man wohl am besten mit „Hymne“ (es gibt aber auch noch andere Wortbedeutungen, z. B. im Sinne bestimmter religiöser Vokalwerke). Und so ist der Titel der neuen Veröffentlichung des renommierten Ying Quartets etwas irreführend.
Es geht bei „American Anthem“ nämlich nicht etwa um die US-amerikanische Nationalhymne (wenngleich das sehr spannend gewesen wäre), sondern in erster Linie um das „Adagio“ von Samuel Barber. In etwas gewollter Weise, wird das sehr interessante Programm dieser CD vor allem mit diesem Stück immer wieder in Bezug gebracht (zumindest im Booklet-Text).

Unvoreingenommen betrachtet, und einmal jegliches „Konzept“ außen vor lassend, haben wir hier schlicht und erfreifend eine hervorragende CD (übrigens mit „gratis“ beigelegter Bluray-Audio für die Sourround und HD-Audio-Fans) mit amerikanischer Musik für Streichquartett.
Mit Samuel Barbers Streichquartett Op. 11 ist dabei das sicherlich prominenteste Beispiel eines US-amerikanischen Streichquartetts hier vertreten. Sein zweiter Satz „Adagio“ wurde später von Samuel Barber zum berühmten „Adagio for Strings“ umgearbeitet und in dieser Fassung zum klassischen „Welthit“ – unzählige Male als Film- und/oder Trauermusik gebraucht, u. a. zum Tod von US-Präsident Roosevelt, was dem Stück nochmals einen gehörigen Popularitätsschub gegeben hat.
Des Weiteren hören wir auf dieser CD die Weltersteinspielung des originalen dritten Satzes dieses Streichquartetts, den der Komponist einst gestrichen hatte (unverständlich übrigens, denn ich möchte fast behaupten, dass es sich neben dem „Adagio“ dabei um den schönsten Satz des ganzen Werks handelt).
Außerdem kommt die jugendliche „Serenade für Streichquartett“, Barbers Opus 1, das er als 13-Jähriger schrieb, zur Aufführung und das in den USA wohl sehr populäre „Dover Beach“ in einer Fassung für Bariton und Streichquartett.
Von Howard Hanson, der als Dirigent bekannter wurde als als Komponist, hören wir das ganz erstaunlich gute Streichquartett Op. 23, das wirklich ein ganz tolles Stück ist und eigentlich bekannter sein sollte. Es hört sich an, wie eine verschollene Hanson-Symphonie – nur eben in einer Fassung für Streichquartett. Hanson hatte eine dezidiert spätromantische und anachronistische, ansonsten aber äußerst reizvolle Musiksprache. Seiner schwedischen Abkunft folgend, hat er sich immer sehr an den „nordischen“ Komponisten orientiert, und sein kompositorischer Stil erinnert mich stets am meisten an den Schweden Kurt Atterberg. Auch Sibelius- und Vaughan Williams-Einflüsse sind unverkennbar. Hanson ist ein Komponist, den es noch weiter zu entdecken gilt, obwohl es ja mittlerweile tolle Einspielungen seines Werks (vor allem der zum Teil grandiosen Symphonien) gibt.
Das etwas weniger spannende „Kammerkonzert“ Op. 7, das Howard Hanson eigentlich wohl für Streichorchester und Klavier gesetzt hatte, erklingt hier in einer Fassung für Streichquartett und Klavier, der man schon anhört, dass es so wohl ursprünglich nicht sein sollte. Die Streicher sind etwas unterrepräsentiert und als „Klavierquintett“ funktioniert das Stück einfach nicht so gut.
Abschließend gibt es noch das in den USA scheinbar sehr bekannte „Alleluia“ von Randall Thompson. Eigentlich ist dies ein Chormusikstück, das hier vom Ying Quartet (dem Motto des Albumnamens folgend) für Streichquartett transkribiert wurde (dies wiederum ist sehr gelungen).

Kurz und gut: Das Programm ist einfach toll und sehr lohnend – nicht nur für diejenigen, die auf spätromantische und/oder amerikanische Musik setzen.
Das Ying Quartet zählt völlig berechtigterweise zu den weithin gelobten und besten Streichquartettformationen der USA. Sie hatten ursprünglich einen Deal mit dem Telarc-Label, bevor dieses in finanzielle Schwierigkeiten geriet und heute bekanntlich nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Bei Sono Luminus hat das Quartett seit einiger Zeit eine neue Heimstatt gefunden. Und dort setzt man ja bekanntlich ebenso wie einst bei Telarc auf HiFi-Sound. Fans des Ying Quartets brauchen also auf nichts zu verzichten.

Ich gebe zu, ich bin in allen Belangen ziemlich begeistert von dieser tollen CD, die ich deswegen wärmstens empfehlen möchte.

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