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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

W.-A. Schultz - Japanische Landschaften
Amaryllis Quartett, Ensemble Obligat, I.-J. Klett

(2013)
Es-Dur / Vertrieb: EDEL:Kultur

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Wolfgang-Andreas Schultz - Japanische Landschaften

Überzeugende, spannende CD mit Neuer Musik aus Hamburg

von Rainer Aschemeier  •  24. Januar 2013
Katalog-Nr.: ES 2042 / EAN: 4015372820428

In der Regel hat man nur selten die Möglichkeit, Live-Mitschnitte von Uraufführungen auf CD nachzuhören. Warum ist das eigentlich so?
Haftet der Uraufführung eines Werks nicht immer ein mystischer Beigeschmack an, in der Art eines kleinen „Wunders“? Immerhin werden hier Noten, die zuvor nur schriftlich vorlagen, zum Erklingen gebracht. Aus schriftlicher Überlieferung wird also im engeren Sinne erst tönende Musik.
Wie viele Musikhörer mögen heute heimlich davon träumen, sie hätten einmal dabei sein können, als bestimmte große Werke der Musikliteratur uraufgeführt wurden? Da gibt es sicher eine ganze Reihe von Träumern. Oft genug aber sind es gerade diejenigen, die sich in längst vergangene Uraufführungen zeitlich rückwärts zu beamen wünschen, die die bedeutenden Uraufführungen von heute links liegen lassen.

So mag es vielleicht auch im Juni 2009 gewesen sein, als ein Teil der jüngst beim Label „Es-Dur“ neu erschienenen CD „Japanische Landschaften“ in der akustisch bekanntermaßen guten Hamburger Laeiszhaille im Rahmen einer Uraufführung live mitgeschnitten wurde. Diese Katalognovität, die sich ganz dem (in diesem Fall) durch fernöstlliche Weltanschauung beeinflussten Kammermusikwerk des ehemaligen Ligeti-Assistenten und heutigen Professors für Musiktheorie und Komposition Wolfgang-Andreas Schultz widmet, zeigt eine Zusammenstellung beeindruckender Musik.

Schultz‘ Einflüsse aus Japan und dem sonstigen Fernen Osten scheinen derweil nicht nur literarischer Natur zu sein. Immer wieder höre ich Anklänge an die Stilistiken von Takemitsu, Yoshimatsu oder auch an das Werk des Taiwan-Österreichers Shih, das ich kürzlich erst und an dieser Stelle vorgestellt hatte.
Neben dem nicht immer eindeutigen Bekenntnis zur Atonalität, also einer merkwürdigen „Zwischenwelt“ zwischen tonalen und atonalen Musikelementen, sind es insbesondere die zuweilen inflationär eingesetzten Glissandi, die Schultz‘ Musik auszeichnen.
Dies soll wohl sehr bewusst an Streichinstrumente der japanischen Musiktradition erinnern, ebenso, wie die kurzerhand zur Sakauhachi-Imitation umgestaltete Querflöte, die in den beiden Stücken „Bilder auf dem Grund des Sees“ für Flöte und Streichtrio sowie „Japanische Nebellandschaft“ für Flöte solo eine Rolle spielt.
Diese beiden Stücke sind auf dieser CD allerdings keine Livemitschnitte.
„Landschaft der Horchenden – Vier Menschen“ (ein sechsätziges Streichquartett) hingegen liegt als eingangs erwähnter Uraufführungsmitschnitt vor.

Die ausführenden Künstler, das Amaryllis Quartett, das Ensemble Obligat sowie die Flötistin Imme-Jeanne Klett sorgen für durch die Bank sehr gute Interpretationen, die durch den erwartungsgemäß hervorragenden Sound, für den das Hamburger Es-Dur-Label seit Jahr und Tag bekannt ist, eine einfach „runde Sache“ ergeben.

Und so schließt sich der Kreis. Mögen sich alle, die sich in stillen Stunden wünschen, sie könnten heute noch musikalisch bedeutenden Uraufführungen beiwohnen, doch diese CD als Beispiel nehmen: Es gibt sie noch – die musikalisch erfüllenden, durchaus auch musikhistorisch wertvollen Erstdarbietungen. Man müsste, um sie mitzuerleben, allerdings weniger Zeit mit Träumen verbringen, sondern Zeit für das Ins-Konzert-Gehen investieren. Und man darf die Ohren nicht verschließen vor unserer Neuen Musik, vor allem dann nicht, wenn sie so überzeugend und ganz einfach auch fesselnd ausfällt, wie in den Werken von Wolfgang-Andreas Schultz.

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