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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

W. B. Molique - Violinkonzerte Nr. 3 & 6
L'arpa festante - Ch. Spering; A. Speck (Violine)

(2013)
Accent / Vertrieb: note1

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Wilhelm Bernhard Molique - Violinkonzerte Nr. 3 & 6

Tolle Werke mäßig produziert

von Rainer Aschemeier  •  17. Januar 2013
Katalog-Nr.: ACC 24247 / Katalg-Nr.: 4015023242470

Man mag sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, jeden Komponisten, der irgendwann irgendwo einmal auch nur halbwegs prominent gewesen ist, wieder hervorzuzerren, um CDs mit der jeweiligen Musik einzuspielen. Im Fall Wilhelm Bernhard Moliques jedoch ist solch Unterfangen einfach qualitativ gerechtfertigt.

Dem deutschen Romantiker, der im 19. Jahrhundert seiner Heimat den Rücken kehrte, um nach Großbritannien auszuwandern, war trotz großer Kompositionbegabung kein großes Glück beschieden: In England wurde er wegen seiner deutschen Herkunft nicht in vollem Umfang akzeptiert, in Deutschland galt er als nicht Ernst zu nehmen, denn schließlich war er ja nach England ausgewandert.
Was wir da bislang verpasst haben, zeigt eine neue CD des belgischen Alte-Musik-Labels „Accent“ – eine zeithistorisch durchaus ungewöhnliche Veröffentlichung für diese Firma, die sich sonst im Wesentlichen der Barockmusik oder der frühen Klassik widmet.

Moliques Violinkonzerte Nr. 3 und 6 sind reich an melodischen Einfällen und wissen mit auch manchem kompositorischen Kunstgriff zu begeistern. Das ist richtig gute, sehr originelle Musik, die qualitativ vielleicht nicht oberste Höhen erklimmt, aber doch keinen Deut schlechter ist, als Vieles aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, was sich seit Jahrzehnten hartnäckig in den Konzertplänen der großen Häuser eingenistet hat, obwohl es viel weniger spannend und hübsch anzuhören ist, als etwa die hier zur Darbietung kommenden Werke Moliques.
Dieser hatte sich kompositorisch übrigens zunächst an Louis Spohr orientiert – was einigen Geschmack verrät, aber in Anbetracht von Spohrs damaliger europaweiter Berühmtheit auch wiederum kein Wunder ist. Molique schaffte es, sich vom Spohr-Stil zu emanzipieren, nicht jedoch ohne einen reizvollen „Nachhall“ vom Stil seines Idols beizubehalten.
Das Ergebnis ist, wie bereits geschrieben, eine wunderbar unterhaltsame und qualitativ sehr ansprechende Musik, der man – und nun kommen wir zum kritischen Teil dieser Rezension – ein besseres Schicksal auf CD gewünscht hätte.

So ziemlich alles lässt hier nämlich zu wünschen übrig: Beginnen wir beim verwaschenen, konturlosen und matschigen Aufnahmeklang, der tatsächlich einer Produktion des Deutschlandfunks entspringt, die im Kammermusiksaal des Senders in Köln aufgezeichnet wurde. Ich kann mir nicht erklären, was da schief gelaufen ist, doch die Aufnahme ist einfach gruselig. Zu den oben erwähnten Unzulänglichkeiten darf man noch hinzu zählen, dass der Solist ausnahmsweise viel zu leise abgemischt wurde und ein ums andere Mal Gefahr läuft, im breiigen Orchesterklang unterzugehen. Andererseits ist das auch verschmerzbar, denn Anton Steck, der bei dieser Aufnahme eine 1780er Guadagnini-Geige spielt, hat sich mit Moliques Konzerten doch sehr viel vorgenommen. Zu viel vielleicht? Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass der einstige Schüler Reinhard Goebels, der zudem Konzertmeister einiger sehr sehr namhafter Alte-Musik-Formationen war und zu den Gründern des Schuppanzigh-Quartetts gehört, an den drei Aufnahmetagen, die für diese CD zur Verfügung standen, nicht auf der Höhe seiner Möglichkeiten war. Sowohl um seine Intonation als auch um seine Technik steht es in dieser Einspielung nämlich nicht zum Besten. Sollte das eine bedauerliche „Momentaufnahme“ sein?

Zu der Leistung des Orchesters „L’arpa festante“, das unter Leitung Christoph Sperings auf alten Instrumenten musiziert, kann man hingegen überhaupt kaum etwas sagen – ganz einfach, weil der Aufnahmesound so unkonturiert ist, dass ich nicht abzuschätzen wage, was davon orchesterbedingt und was tonmeisterbedingt sein könnte (der Name des Tonmeisters wird uns im CD-Booklet übrigens wohlweislich (?) verschwiegen).

Fazit: Schade, schade, schade! Es hätte eine tolle Wiederentdeckung werden können, doch auf dieser halbherzig produzierte Art und Weise werden Wilhelm Bernhard Moliques spannende Violinkonzerte trotz ihrer unbestreibaren kompositorischen Klasse kaum ein neues Publikum begeistern.

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