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The Listener

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S. Rachmaninoff - Die Toteninsel, Der Fels, Symphonische Tänze
Bergen Philharmonic Orchestra - A. Litton

(2012)
BIS

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Sergej Rachmaninoff - Die Toteninsel, Der Fels, Symphonische Tänze

Rachmaninoffs erstes und letztes Orchesterwerk gemeinsam auf einer SACD

von Rainer Aschemeier  •  4. Dezember 2012
Katalog-Nr.: BIS-1751 / EAN: 7318599917511

Eine neue SACD aus der renommierten schwedischen HiFi-Schmiede BIS records beschert uns zum Jahresausklang eine proppevolle Silberscheibe mit einigen der beliebtesten Werke Sergej Rachmaninoffs. Zu hören sind hier dessen Sinfonische Dichtungen „Der Fels“ und „Die Toteninsel“ sowie das orchestrale Spätwerk „Symphonische Tänze“.
Das Programm ist zwar auch so schon interessant genug, noch ein wenig interessanter wird es allerdings, wenn man sich vor Augen führt, dass sich hier mit „Der Fels“ und den „Symphonischen Tänzen“ Rachmaninoffs allererste und allerletzte Orchesterkomposition quasi kontrastierend gegenüber stehen.

Das Philharmonische Orchester der norwegischen Stadt Bergen, das unter Kennern als eines der besten Skandinaviens gilt, agiert hier unter der Leitung seines Chefdirigenten Andrew Litton. Als ehemaliger Chefdirigent von so illustren Ensembles wie etwa dem Bournemouth Symphony Orchestra oder dem Dallas Symphony Orchestra hat sich Litton einige Meriten erworben und gehört – wenn man denn einmal die Rezensionen der gängigen Online-Portale abklappert – zu den sicherlich am meisten gelobten Dirigenten der letzten zehn Jahre: eine Einschätzung, die ich für meinen Teil ehrlich gesagt nie nachvollziehen konnte, da ich Andrew Litton nach meinen bisherigen Hörerlebnissen eher unter der Kategorie „solides Mittelmaß“ einsortieren würde, was auch bisherige Rezensionen von Einspielungen Littons hier auf www.the-listener.de zum Ausdruck gebracht haben dürften (siehe zum Beispiel hier).

Umso erfreulicher ist – insgesamt betrachtet – die vorliegende Rachmaninoff-Novität aus dem Hause BIS. Sie beginnt gleich mit dem interpretatorischen Highlight, nämlich einer sehr stimmungsgeladen und präzise dirigierten Fassung der „Totenisel“, die nicht Wenigen als Rachmaninoffs qualitativ überzeugendstes Orchesterwerk überhaupt gilt. Sowohl hier als auch beim folgenden Stück „Der Fels“ darf man Litton und seinen Mannen ein großes Kompliment aussprechen.
Faszinierend sind auf dieser Aufnahme insbesondere die beeindruckende Dynamikbandbreite, die der amerikanische Pultstar aus seinen Norwegern herauszukitzeln vermag sowie die wirklich bemerkenswerte Exaktheit der Spielkultur, die auch bei der legatodurchtränkten Partitur der „Toteninsel“ buchstäblich jeden Bogenstrich hören lässt. Das ist also geradezu vorbildhaft und lässt manch andere Einspielung – selbst renommiertester Klangkörper – dagegen ganz schön alt aussehen.

Umso unverständlicher ist mir die nachfolgende, nur als moderat zu bezeichnende Darbietung der „Symphonischen Tänze“. Das beginnt mit ganz objektiven Kriterien, wie etwa der Rhythmik, die sich Litton gleich zu Beginn bewusst so zurechtbiegt, wie es ihm passt. Bekannterweise gibt es gleich zum Beginn des ersten Satzes eine Stelle, an der erstaunlicherweise viele Orchester scheitern. Es handelt sich dabei um eine Viertelpause, der eine Achtelpause vorausgeht. Der Effekt ist ein typischer „und-Eins“-Auftakt, der eigentlich nicht weiter schwierig sein sollte. Rachmaninoffs kompositorischer Kunstgriff ist hierbei jedoch, dass er die Kontrabässe bereits in diese „Beinahe-Generalpause“ hinein den „Auftaktgeber“ spielen lässt, und das macht eben oft Probleme – zumal es sehr schwierig zu sein scheint, diese Passage aus den Orchesterbässen möglichst klar konturiert herauszuholen. Vielleicht ist das übrigens auch der Grund, warum Litton sein Orchester aus Bergen mit einer – im Vergleich zu den beiden anderen Stücken auf dieser CD – deutlich vernehmbar reduzierten Ensemblegröße antreten lässt. So klingen die Bergener hier eher wie ein Kammerorchester, was ebenfalls ein Kunstgriff ist, den ich nur zum Teil nachvollziehen kann.
Schlimmer jedoch: Litton ignoriert die angesprochene Achtelpause und somit den zentralen Eingangseffekt – was im Übrigen nicht die einzige Freiheit ist, die er sich im Verlauf seines Dirigats nimmt.

Das Endergebnis klingt merkwürdig schal und kantig, zwar klar konturiert, aber ohne Saft und Kraft sowie vor allem ohne die emotionale Tiefe und dynamische Bandbreite, die Litton und die Bergener ja auf derselben CD gerade noch so überzeugend in die Tat umgesetzt hatten. Das ist natürlich schade, denn die „Symphonischen Tänze“ – unter anderem bekannt aus dem Vorspann der WDR-Wissenschaftssendung „Quarks und Co“ sind sicherlich das Stück, weswegen sich die meisten Kunden diese Veröffentlichung zulegen möchten.

Nur Gutes gibt es allerdings von der Klangfront zu berichten, die BIS-typisch erstklassigen Hifi-Sound offeriert, der Details offenlegt, die in den dichten Texturen der hier erklingenden Stücke anderswo oft unter den Tisch fallen. Tonmeister Hans Kipfer und Andreas Ruge haben hier vor allem auf Eines gesetzt: Durchhörbarkeit, Durchhörbarkeit und nochmals Durchhörbarkeit! Die akustische Transparenz dieser Produktion ist hervorragend und könnte dazu führen, dass wir diese SACD in der Kategorie „bester Sound“ irgendwo in der the-listener.de-Jahresbestenliste 2012 wiederfinden werden.

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