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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

L. Spohr & G. Onslow - Klaviersonaten
Howard Shelley

(2012)
Hyperion / codaex

• • •

Louis Spohr & Georges Onslow - Klaviermusik

Reizvolle, aber etwas arg brav geratene Retrospektive

von Rainer Aschemeier  •  20. Oktober 2012
Katalog-Nr.: CDA67947 / EAN: 034571179476

Howard Shelley ist ein heutzutage selten gewordenes Exemplar: Er feiert sowohl als Pianist als auch als Dirigent Erfolge, was ihn also schon mal in die Nähe solch illustrer Persönlichkeiten wie Daniel Barenboim, Vladimir Ashkenazy, Justus Frantz oder Christoph Eschenbach rückt. Shelley ist aber vor allem ein Vertreter der Rettung musikalischer Nischen die ihre Rettung auch verdient haben. Er spielte die Klavierkonzerte des Beethoven-Schülers Johann Nepomuk Hummel gleichermaßen ein, wie (als Dirigent) die von der Kritik hoch gelobte Gesamtedition der Sinfonien Louis Spohrs.
Die Musik des vor allem in Kassel wirkenden Komponisten Louis Spohr, der nach dem Tod Felix Mendelssohn Bartholdys als „größter lebender Komponist“ von der Musikpresse gefeiert wurde und neben Paganini der weltweit begehrteste und wohl auch effektvollste Violinvirtuose war, hat es Shelley offenbar angetan. Denn nach seiner gefeierten Spohr-Sinfonien-Box folgt nun eine interessante Klaviermusik-CD mit Werken Spohrs und des „französischen Beethoven“ Georges Onslow (Sohn eines „verstoßenen“ und nach Frankreich ausgewanderten britischen Parlamentariers).
Nun gibt es zunächst mal keinen Zweifel, dass sich die Stile Onslows und Spohrs auf einer CD-Zusammenstellung nebeneinander prächtig machen. Der klassizistische, stets das große Vorbild Mozart im Auge behaltende Virtuosenstil Spohrs mit seinen endlos perlenden Girlanden, die das ganze Spektrum des zur Zeit der Komposition dieser Musik ja noch gar nicht so alten Konzertflügels moderner Prägung voll ausnutzen, steht neben der kernigeren, zupackenderen, aber stilistisch insgesamt auch unentschlossener wirkenden Beethoven-Epigonenmusik von Georges Onslow.
Diese Musik ist dabei mehr als ein musikalisches Zeit- und Sittengemälde der Früh- und Hochromantik: Sie ist melodisch und stilistisch reizvoll und weiß sowohl ein Fachpublikum zu interessieren als auch den Gelegenheitsklassikhörer mit schönen Melodien zu bezaubern.
Aber – und da sein wir mal ehrlich – sie zeigt auch die unverkennbaren Limitationen ihrer Schöpfer. Sowohl Spohr als auch Onslow haben Besseres geschrieben, als die hier enthaltenen Klavierwerke. Und sie zeigen auch, dass Beethoven und Mozart eben in der Tat einzigartig in der Musikgeschichte waren – was ja nicht heißen muss, dass man diese schönen Spohr- und Onslow-Kompositionen geringschätzen sollte.

Einer, der das sicher nicht tut, ist eben Howard Shelley, der beiden Komponisten auf dieser CD etwas drög-klassizistisch anmutende Interpretationen zukommen lässt, die jedoch den Vorteil haben, dass sie im positivsten Sinne „neutral“ wirken – also weder überkandidelt oder einschmeichelnd oder irgendwelche Aspekte des Vortrags überbetonend. Shelley lässt die „Romantik“ dieser unzweifelhaft emotionsgeladenen Musik einfach manchmal etwas (zu?) kurz kommen. Dennoch ist die ansonsten blitzsaubere Einspielung eine Empfehlung. Denn man kann ihrem Interpreten nicht vorwerfen, jedwelche Aspekte der Musik zu verfälschen. Das sind einfach ehrliche, werkgetreue Wiedergaben, die ohne Zweifel ihren Reiz haben.

Der von Tonmeister Ben Connellan für meinen Geschmack etwas flach und höhenarm angelegte Sound ist meines Erachtens der größte Kritikpunkt an dieser Produktion, die manchmal den Charme von musikalischer Archivarsverzückung in sich trägt, aber im Endeffekt durchaus ihre Qualitäten hat.

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