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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

G. Tartini - Sonaten für Solovioline
Črtomir Šiškovič

(2012)
Dynamic / Klassik Center Kassel

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Giuseppe Tartini - Sonaten für Solovioline

Fantastische Darbietung von erneut grandioser Tartini-Musik auf dem italienischen Traditionslabel Dynamic

von Rainer Aschemeier  •  27. Juni 2012
Katalog-Nr.: CDS 721-1/2 / EAN: 8007144607210

Zurzeit erscheinen so viele tolle CDs, dass man sich fragt, ob in den letzten fünf Monaten eigentlich ein „Korken“ drin war – oder warum lassen die Labels die bislang besten Aufnahmen 2012 fast alle im Juni auf den Markt fließen?

Jedenfalls erschien jüngst beim italienischen Traditionslabel Dynamic eine der großartigsten CDs des bisherigen Jahres. Dynamic ist als das Label bekannt, das eines der spannendsten Aufnahmeprojekte der Klassikbranche durchführt, nämlich die Gesamtaufnahme der Violinkonzerte Giuseppe Tartinis.
Tartini war etwa 20 Jahre älter als Antonio Vivaldi und wirkte den größten Teil seiner aktiven Laufbahn zeitlich parallel zum Meister aus Venedig. Tartini war einer der einflussreichsten Geigenlehrer seiner Zeit, muss ein ganz außergewöhnlicher Virtuose gewesen sein und operierte im Gegensatz zu fast allen anderen italienischen Komponisten und Virtuosen seiner Generation schwerpunktmäßig von Padua aus.

Es mag auch an dieser Abgeschiedenheit vom Rest der kreativen Musikwelt gelegen haben, dass Tartini einen unverwechselbaren Personalstil entwickelte, der auch musikstilistisch so weit entfernt von Vivaldi ist, wie es nur eben geht. Während unzweifelhaft auch der venezianische „prete rosso“ mit seinem Stil in die Zukunft der Musik wies, tat dies Tartini ebenso überzeugend – nur mit anderen Mitteln.
Im Laufe der Geschichte verebbte der Tartini-Einfluss – trotz seiner Horden von Schülern – langsam im Sande der Geschichte, während der Stil von Vivaldi und Corelli weiterlebte indem er sich fortentwickelte.
Und so kann man Tartinis Musik – vielleicht nicht eben charmant, aber sicher zutreffend – als die vielleicht spannendste Sackgasse der Musikgeschichte in der Zeit des Spätbarock bezeichnen.

Tartinis Violinkonzerte werden bei Dynamic bald in der vollständigen kompletten Edition vorliegen, und so ist es der richtige Zeitpunkt, um auch die weitere Diskographie des Labels in Sachen Tartini auf Vordermann zu bringen. Es erschien daher nun eine grandiose Doppel-CD mit wunderschön eingespielten und aufgenommenen Darbietungen von Tartinis Sonaten für Solo-Geige.
Sie wurden von Črtomir Šiškovič interpretiert, einem Violinvirtuosen slowenischer Abstammung, der jedoch im italienischen Trieste geboren und aufgewachsen ist. Und ich muss sagen: Ich bin hin und weg! So einen hervorragenden Solisten hört man nicht alle Tage!
Črtomir Šiškovič ist nicht nur ein herausragender Virtuose, der die extrem schwierigen Tartini-Stücke vorträgt, als könnte er sie blind im Schlaf spielen, sondern er besitzt darüber hinaus noch ein äußerst hohes Maß an musikalischer Empathie und zusätzlich noch einen wunderschönen Geigenton.
All das führt dazu, dass man diese Aufnahme ohne mit der Wimper zu zucken als Referenzedition einstufen kann, die ich mir persönlich kaum besser vorstellen könnte.
Dazu trägt auch ein reicher, warmer und gleichzeitig sehr luzider Aufnahmeklang bei, der von vorn bis hinten einfach nur ein audiophiler Genuss ist. Das überrascht etwas; zum einen, weil Dynamic nicht unbedingt als audiophiles HiFi-Label bekannt ist, zum anderen, weil die Aufnahmen, die hier vorgestellt werden laut Booklet-Text bereits aus dem Jahr 1997 stammen sollen. Allerdings haben meine Recherchen ergeben, dass es keine frühere Veröffentlichung dieser fantastischen Einspielungen gegeben zu haben scheint. Diese Doppel-CD ist also eine echte Novität – und was für eine!

Tartini-Fans müssen die CD selbstverständlich haben, aber auch andere, die bislang den Kontakt zum Solorepertoire für Violine scheuten, sollten hier einmal ein Ohr riskieren. Ich kann mir keine schönere Musik für Solovioline denken. Tartini hatte eine außerordentliche Gabe für Melodienreichtum und wusste sie dank seiner Virtuosität geradezu atemberaubend in Szene zu setzen, ohne aber auf vordergründige Fingerflitzereien zu setzen.
Ich komme jedenfalls aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus und setze diese CD auf jeden Fall auf unsere Kandidatenliste für die CD des Jahres 2012.

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma Klassik Center Kassel, zur Verfügung gestellt.))

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