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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

G. A. Benda - Sechs Sonaten (1757
Bernhard Klapprott

(2012)
AEOLUS / note 1

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Georg Anton Benda - Sechs Sonaten (1757)

Für Tieftaucher in die Vorklassik und Benda-Enthusiasten

von Rainer Aschemeier  •  21. Juni 2012
Katalog-Nr.: AE-10104 / EAN: 4026798101046

Astronomen kennen das Problem: Objekte, die sich aus Sicht des Betrachters hinter besonders hellen Sternen befinden, sind sehr schwer zu beobachten, denn das helle Licht des sich vor ihnen befindlichen Sterns blendet den Beobachter so sehr, dass er die Objekte hinter dem Stern kaum noch oder gar nicht mehr sieht.

Ähnlich ist es einer ganzen Komponistengeneration ergangen: Johann Baptist Vanhal, Franz Xaver Dussek, Johann und Carl Stamitz, Johann Christian Cannabich, Josef Martin Kraus, Josef Myslivecek, Johann Georg Albrechtsberger, Gregor Joseph Werner… und, und, und…
Sie alle stehen hinter gleich zwei überhell strahlenden Sonnen: hinter Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn. Wohl deshalb werden sie vom Klassik-Mainstream so beharrlich ignoriert.

Zu eben diesen Komponisten, die heute kaum noch jemand kennt, die aber zu Mozarts Zeiten zu den etablierten Größen der Musikszene gehörten, zählt auch der tschechischstämmige Komponist Georg Anton Benda. Benda schrieb herrliche Konzerte und Sinfonien und wurde vor allem wegen seiner Klaviermusik von der Sonne selbst (von Mozart…) brav gelobt.
Sein Werk ist im Vergleich zu dem der weiter oben genannten Kompositionskollegen überraschend gut auf CD dokumentiert, wozu vor allem die tschechischen und ungarischen Labels Supraphon und Hungaroton beigetragen haben, die sich die Verbreitung von Bendas Werk und Wirken offenbar ganz oben auf die Agenda gesetzt hatten.

Nun betritt mit dem nordrheinwestfälischen Label AEOLUS eine deutsche Firma den schmalen Benda-Markt und legt als eine der ersten Plattenfirmen aus Deutschland eine Benda-Einspielung vor. Es handelt sich dabei um sechs Klaviersonaten, die Georg Anton Benda 1757 schrieb – in einer Zeit also, in der das moderne Klavier, wie wir es heute kennen, noch in einer frühen Entstehungsphase war. Das wiederum bedeutet, dass man Bendas „Klavier“-Musik theoretisch und praktisch mit allerlei Instrumentarium darbieten kann, denn diese Übergangszeit zwischen dem barocken Cembalo und dem modernen Klavier war eine Zeit des vielfältigsten Erfindungsreichtums der Instrumentenbauer.

Ein Instrument, das vor allem von reisenden Virtuosen als Übungsinstrument, aber auch von Privatleuten als verhältnismäßig kleine Lösung für das gediegene Musizieren im Eigenheim geschätzt wurde, war das Clavichord. Zu Bendas Zeit war es sehr weit verbreitet und weithin geschätzt. Einige Hintergründe, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte, hatte ich letztes Jahr in einer Rezension von den Klaviersonaten op. 5 des Mozart-Vorbilds Johann Christian Bach gegeben. Interessierte an der Geschichte und dem Stellenwert des Clavichords können da weiterführende Informationen finden.

Georg Anton Benda jedenfalls soll zu den Figuren gehört haben, die das Clavichord als Ausdrucksmittel so sehr zu schätzen wussten, dass sie überhaupt gar nichts anderes mehr im Sinn hatten, wenn sie ihre „Klavier“-musik niederschrieben. Ob das nun so ist oder nicht diskutiert in der vorliegenden CD ein nicht weniger als elfseitiger Booklet-Text (plus zwei Seiten Literaturverzeichnis), der zwar mit dem sprachlichen Charme einer musikwissenschaftlichen Facharbeit einhergeht, jedoch als Entlohnung für die liebe Mühe, die der Leser mit dem Text haben wird, ein Füllhorn an Informationen bietet, als deren Quintessenz die Rechtfertigung des Clavichords als das Instrument der Wahl für die hier zu hörende Musik steht.

Ob man dem nun zustimmen mag oder nicht ist eigentlich zweitrangig, denn wie immer zählt hier vor allem die zu hörende Musik und deren Darbietung. Die sechs Benda-Sonaten, die wir hier zu hören bekommen, sind ziemlich anspruchsvolle Werke, die ein musikalisches Äquivalent zum Booklet-Text bilden: Nicht jeder wird sie erfassen können, und nicht jeder wird sie zu schätzen wissen.
Als Maßstab für die künstlerische und virtuose Qualität der Klaviermusik Georg Anton Bendas sind sie jedoch bemerkenswert, und man kann verstehen, warum ein kompositorischer „Insider“ wie Mozart hier den Hut zog.

Bernhard Klapprott erweist sich als herausragender Virtuose auf dem Clavichord, was er in der Vergangenheit auch bereits auf Einspielungen der Labels MDG und cpo dokumentiert hat. Die insgesamt gelungene, wenngleich womöglich ein wenig zu hallig angelegte Aufnahme der Benda-Sonaten ist eine einzige Demostration des faszinierenden Könnens dieses Interpreten, der völligen Kontrolle und gekonnten Beherrschung auch der reichen Effektpalette (z. B. Vibrato), die das Clavichord an Ausdrucksmitteln zur Verfügung stellt.
Die Einspielung wirkt zuweilen etwas kühl, man hätte sich mehr „Seele“ gewünscht, an Leidenschaft aber ist die Interpretation wohl kaum zu überbieten. Diese CD ist ein Tastenfeuerwerk sondergleichen, das keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Fazit: Eher für Benda-Enthusiasten und echt konzentrierte „Tieftaucher“ in das reiche und vielfach noch unentdeckte Genre der Vorklassik eine dann aber unumwundene Empfehlung.

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt.))

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