I. Pleyel - Sinfonien in B- und G-Dur + Flötenkonzert in C-Dur (2012)
• • • • • Ignaz Joseph Pleyel - Sinfonien in G- und B-Dur, Flötenkonzert in C-DurMatchwinner!von Rainer Aschemeier • 19. Januar 2012
Fraglos gehört Patrick Gallois zu den außergewöhnlich prominenten Musikern unserer Zeit, ist er doch neben Musikern wie Jean-Pierre Rampal und Emmanuel Pahud einer der seit 1984 weltweit meist nachgefragten Flötenvirtuosen. Doch seit vielen Jahren verfolgt Gallois auch eine Dirigentenlaufbahn, die jedoch dasselbe Schicksal zu ereilen scheint, wie ähnlich gelagerte Versuche von Spitzensolisten wie Yehudi Menuhin oder Dietrich Fischer Dieskau: Auch die wollte jeder nur Geige spielen bzw. singen hören, nicht aber dirigieren sehen. Nichtsdestoweniger ist Gallois zumindest was die qualitative Ebene seiner Dirigiertätigkeit angeht, eine bislang höchst vorzeigbare Bilanz zu attestieren – ein Punkt, der bei den soeben genannten prominenten Kollegen des Franzosen durchaus nicht immer so glücklich ausfiel. Und während Gallois’ Flöten-CDs via Veröffentlichung durch „Deutsche Grammophon“ stets ein großes Medienecho erregten, fristen seine zum Teil hervorragenden CDs für das Naxos-Label, das seine Dirigiertätigkeit dokumentiert, vergleichsweise ein mediales Schattendasein (obwohl sie sich sicherlich nicht weniger gut, vielleicht sogar besser verkaufen, als die „Deutsche Grammophon“-CDs). Als jüngste Veröffentlichung hat Gallois eine wundervolle Neuproduktion mit Kompositionen des 1792 von Österreich nach Frankreich emigrierten Ignaz Pleyel herausgebracht, der hierzulande wohl eher als Klavierbauer bekannt ist, denn als Musiker und Komponist. In Frankreich ist man da deutlich weiter, was die Rezeption der Pleyel’schen Gesamterrungenschaften angeht. Trotzdem hat Patrick Gallois seine neueste CD-Produktion nicht mit dem von ihm gegründeten Orchester „Académie de Paris“ eingespielt, sondern mit dem seit 1955 bestehenden Kammerorchester „Sinfonia Finlandia Jyväskylä“, für das Gallois seit 2003 als Chefdirigent verpflichtet ist. Die Wahl des Ensembles erweist sich schon nach den ersten Takten der hier zuerst erklingenden Sinfonie in B-Dur als ausgezeichnet: Den äußerst angenehmen, sofort ins Ohr gehenden Klang der Finnen würde ich am ehesten mit dem der frühen Academy of St. Martin-in-the-Fields unter Sir Neville Marriner vergleichen wollen: Voll und warm, aber nicht schwerfällig, sanft und weich, aber nicht verwaschen, modern und zeitgemäß, aber nicht ohne auf kenntnisreichen Einsatz von Mitteln aus der historisch informierten Aufführungspraxis zu verzichten. Patrick Gallois führt mit straffen Zügeln, sorgt für ständigen Antrieb der Streicher und für rhythmisch prägnant akzentuierte Bässe. Das Orchester klingt gelegentlich größer, als es ist, und obwohl das auch ein Makel sein kann, ist es in diesem Fall ausdrücklich als Kompliment gemeint. Dieser Sound, den ich mal als eigentlich optimalen Mozart-Klang charakterisieren würde, passt bestens zu den Stücken Pleyels, die qualitativ erstaunlich hochwertig komponiert sind und irgendwo zwischen Mozart und Haydn, Vanhal und Mehul ihren Platz finden. Zwar erweist sich Pleyel deutlich weniger als Umstürzler und Revolutionär als manch anderer seiner Zeitgenossen, doch verstand er es, bemerkenswert schöne Musik bemerkenswert klug zu komponieren – und das ist ja eine sehr beachtliche Leistung. Die auf dieser CD erklingenden Sinfonien in B- und G-Dur sowie das sehr schöne Flötenkonzert in C-Dur, wo Gallois auch als Solist in Erscheinung tritt und als solcher – natürlich – glänzend brilliert, sind auch heute noch sehr lohnenswerte Stücke, die auch moderne und verwöhnte Hörer in vielfacher Hinsicht überzeugen müssten. Sie sind zudem musikhistorisch äußerst interessante Beispiele der Übergangszeit von der Wiener Klassik Haydn’scher Prägung hin zu gewagteren, frühromantisch „Beethoven’schen“ Hereangehensweisen. Tonmeister Sean Lewis hat ebenfalls viel dazu beigetragen, dass diese CD als klare Kaufempfehlung durchgehen kann: Mit einem wunderbar körperreichen und warmen Aufnahmeklang erfährt das Spiel der „Sinfonia Finlandia Jyväskylä“ eine optimale, kongenial musikdienliche Soundumgebung. Lediglich beim Flötenkonzert hat man Gallois einfach viel zu sehr in den Vordergrund gemischt, was erneut zeigt, dass der „Den Star bitte schön laut“-Trend leider immer noch anhält. |
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