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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

G. B. Platti - 6 Cellosonaten (1725)
A. Wolf & S. Hess

(2011)
Oehms

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Giovanni Benedetto Platti — 6 Cellosonaten (1725)

"Elektrisierend" oder "gekünstelt"? Ein strittiger Fall...

von Rainer Aschemeier  •  26. September 2011
Katalog-Nr.: OC 794 / EAN: 4260034867949

Im August erschien eine CD, der wir — ganz im Unterschied zu den Kollegen vom Feuilletton der Süddeutschen Zeitung, die begeistert wie selten waren — leider nur wenig abgewinnen können. Es handelt sich dabei um eine Veröffentlichung, auf die ich mich bereits weit im Vorfeld des Erscheinungstermins gefreut hatte, denn es handelte sich um eine Interpretation der Cellosonaten von Giovanni Benedetto Platti. Jener gehörte zu der Hand voll „Importkünstler“ aus Italien, die sich in den Diensten des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn am Würzburger Hof befanden. Dieser hatte in Sachen Musik eine besondere Vorliebe für den italienischen Stil und ließ sich gezielt Musiker aus dem sonnigen Südland kommen, um seinen Musikgeschmack quasi „aus erster Hand“ bedienen zu lassen.

In den letzten Jahren sind nach und nach immer mehr Kompositionen und Bearbeitungen Plattis aufgetaucht und machten deutlich, um was für einen großartigen Komponisten es sich bei ihm handelte, der durchaus zu den wichtigen Komponisten seiner Zeit gezählt werden muss. Doch viele seiner Werke gelten als verschollen oder sind nur in Handschriften überliefert, sodass bislang eine Aufarbeitung seines Gesamtwerks nur lückenhaft stattfinden konnte.

In eine dieser Lücken stoßen nun also der Cellist Sebastian Hess und der Lautenist Axel Wolf mit ihrer Einspielung der Cellosonaten des italienischen Barockkomponisten Würburger Provenienz. Während die Süddeutsche eine „elektrisierende“ Deutung vernommen hat und die ebenfalls geschätzten Kollegen von klassik.com ein „integratives Bild von schöner Gemeinsamkeit“ heraushörten, kann ich mich anhand dieser Meinungen nur wundern und denke, dass „Gemeinsamkeit“ nicht gerade das Wort ist, mit dem ich diese CD umschreiben würde. Das Gegenteil ist der Fall: Wolf und Hess suchen einander, finden sich aber nicht. Während Wolf einen verhältnismäßig zurückgenommenen, konservativen Lautenstil an den Tag legt, neigt Sebastian Hess zur durchaus überbetont affektierten Spritzigkeit — was auch schon mal auf Kosten der Bogenführung oder der Intonation geht. Das Cello eilt Theorbe und Laute mal voraus, mal hinkt es hinterher. In den Momenten, wo sich beide treffen, wirkt es, als hätten sich zwei grundverschiedene Klangvorstellungen zufällig in einem Tonstudio die Hand geschüttelt.

Dies wird noch unterstützt durch die wenig klangschöne Tontechnik, die zwar erfreulich hochauflösend ist, aber auch eine sehr „kalte“, „harsche“ Qualität besitzt, die höchstwahrscheinlich die Dynamik beider Künstler im Rahmen ihrer Pioniertat weiter untermauern soll. Es bleibt ein Geheimnis, warum vor allem deutsche Tonmeister und CD-Labels den Klang mit „Ecken und Kanten“ manchmal fast hartnäckig heraufbeschwören wollen. Ich bin mir gerade bei dieser Aufnahme ziemlich sicher, dass der „kantige“ Sound eine künstliche Schöpfung der Tontechnik ist. Das Cello wirkt ungewohnt nah aufgezeichnet, lässt den räumlichen Abstand völlig vermissen, sodass wir uns klanglich gesehen beinahe im Korpus des Cellos wähnen. Im Vergleich dazu hören wir eine erstaunlich leise, beinahe schüchtern aufgenommene Laute, die zudem merkwürdig höhenarm und „entfernt“ an das Ohr des Hörers dringt.

Zwar ist das alles in allem eine nach wie vor mit Genuss hörbare Aufnahme, und ein lobenswertes Unterfangen die selten zu hörenden Cellosonaten Plattis einmal auf CD zu bannen kann und muss auch attestiert werden. Doch bei dieser Einspielung liegt eben auch Einiges im Argen. Während der Sound der Aufnahme ein subjektives Beurteilungskriterium ist, der den einen „elektrisieren“ mag, während er dem anderen „künstlich“ erscheint, ist das immer wieder zutage tretende „Nebeneinander“ statt „Miteinander“ beider Interpreten meiner Meinung nach auch objektivierbar und somit ein definierbarer Mangel.

Abschließend bleibt zu sagen, dass immerhin die Stücke selbst alle Erwartungen zu erfüllen wissen. Sie sind relativ frühe und dafür äußerst originelle Vertreter ihrer Werkgattung, und es bleibt somit zu hoffen, dass sie ihren Werk ins Repertoire vieler Künstler finden werden, die dann eventuell auch wieder für alternative Einspielungen sorgen, damit wir Vergleichswerte zu der hier vorliegenden CD bekommen, die man, ich denke so viel ist deutlich geworden, durchaus strittig diskutieren kann.

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