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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Civilians
Joe Henry

(2007)
Anti Inc./Epitaph

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Joe Henry - Civilians

Der Maisfeldersatz fürs CD-Regal

von Rainer Aschemeier  •  24. August 2009

Wahrscheinlich oute ich mich in meinem folgenden Satz als totaler Musik-Banause, doch ich bin und bleibe eine ehrliche Haut und bekenne hiermit öffentlich: Ich kannte Joe Henry bis vor Kurzem nicht. „Bis vor Kurzem“ dauerte bis zu einer Autofahrt, bei der mir ein SWR2-Sprecher fachkundig das Lied „Civil War“ von „Henry Joe“ [sic!] ankündigte. Also, wenn die von unserem anspruchsvollen Kultursender SWR2 Joe Henry offenbar auch gerade erst kennenlernen, kann ich ja so banausig auch wieder nicht sein.

Diversen Informationsquellen lässt sich entnehmen, dass Herr Henry bereits 1986 sein Debüt „Talk of Heaven“ vorgelegt hat und auch im Vorfeld bereits aktiv war, und zwar als Mitglied der Country-Rockband „The Jayhawks“. Nun ist zwar vor Kurzem bereits das neue Album „Blood From Stars“ erschienen, doch ich dachte mir, dass es auch „Civilians“ verdient hätte, einmal näher beleuchtet zu werden. Und da hier ja gerade auch in größerem Umfang die Singles der Roaring Sixties aus dem Regal geholt werden, sehe ich diese Rezension von „Civilians“ mal unter der Überschrift „jüngere Vergangenheitsbewältigung“.

„Civilians“ ist in der Tat ein sehr reizvolles Album, auch für die Sommeranwendung. Nein, nicht solche Sommer, wie wir sie hier in Baden-Württemberg, Brüssel, Mallorca oder Weißrussland kennen, sondern solche Sommer, wie man sie ausschließlich in amerikanischen Roadmovies sieht: mit unbarmherziger Sonne, Straßenstaub und nicht enden wollenden Korn- und Maisfeldern. Dafür ist Joe Henrys Musik gedacht. Ach ja, für alle Mit-Banausen, die bislang auch noch nichts von dem hier besungenen Barden gehört haben, lässt sich der Stil vielleicht mit folgenden Vergleichen ganz gut zusammenfassen: Die Stimme erinnert ein bissl an Nikki Sudden und Mark Cutler, die Musik changiert irgendwo zwischen Tom Waits, Ry Cooder und Augsburger Puppenkiste. An Ry Cooder erinnert vor allem die schöne Slide-Gitarre, die ein ums andere Mal aufblitzt. Das Songwriting ist – so fair sollte man sein – nicht erstklassig. Aber es reicht für ein sehr sehr hörbares, knarziges Album im Folk-/Rock-/Alternative Country-Sumpf. Einige Stücke, so etwa „Civil War“ und „Scare Me To Death“ lassen wirklich aufhorchen und gehören zur musikalischen Oberklasse. Wenn das ganze Album so wäre… ja… wenn… aber so… Nun ja, wir kennen das alle.

Eine Vier-Punkte-Wertung kann man beruhigt vergeben, und wenn Eure Wohnung gerade mal wieder Straßenstaub und Maisfelder vermissen lässt, ist „Civilians“ Eure Platte! Den größten Minuspunkt sehe ich dann auch weniger bei musikalischen Leistungen oder im Songwriting, sondern eher auf der Ebene der straßenstaubtrockenen Produktion. Hier und da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein bisschen mehr „Lo-Fi“ der Atmosphäre des Albums gut getan hätte, auch wenn das in den Ohren von Hifi-Puristen komisch klingen mag.

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