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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Viva La Vida or Death And All His Friends
Coldplay

(2008)
Parlophone/EMI

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Coldplay - Viva La Vida or Death And All His Friends

Die Entdeckung der Bescheidenheit

von Rainer Aschemeier  •  19. Juni 2008

Es ist kein Geheimnis: Beiläufig äußerte ich ja bereits häufiger auf diesen Seiten, dass ich Coldplay für die begabteste der „großen“ Bands halte. Ich jedenfalls bin mir sicher, dass die bislang erschienenen Coldplay-Alben „Parachute“, „A Rush of Blood to the Head“ und „X & Y“ im Gegensatz zu den Scheiben vieler schnell gepushter Megaacts eines Tages ein nachhaltiges, gleichberechtigtes Dasein neben den Werken von Pink Floyd, Led Zeppelin und anderen britischen Heroen führen werden. Doch kann das neue, vierte, Album den Standard halten, den der fantastische Vorgänger „X & Y“ gesetzt hatte?

Während sich Coldplay bislang von Album zu Album steigern konnten und auf dem erwähnten „X & Y“ m. E. ihren kreativen Zenit erreicht hatten, ist es nun heraus: Eine weitere Steigerung konnte nicht erreicht werden – wäre ja auch fast beängstigend gewesen.

Auf „Viva La Vida or Death And All His Friends“ klingt die Band über weite Strecken erstaunlich unaufgeregt und soundmäßig zum Teil deutlich abgespeckter als noch „X & Y“. Man hat das Gefühl, dass auch Coldplay entdeckt haben: Nicht jeder Song muss Hymne sein. Beweise? ...zum Teil ergreifend, wie zum Beispiel in dem kurzen „Reign of Love“, manchmal auch betont schlicht, wie beim Keyboard-Riff von „Lost!“ oder Retro-folkig („Strawberry Swing“). Einige Songs beginnen als Ballade und werden unvermittelt zu Rocknummern, was beim ersten Hören mitunter befremdet und bei wiederholtem Genuss auch ziemlich beliebig wirkt. Ein erster echter Schwachpunkt.

Spätestens beim Blick ins Booklet fällt einem einer der Namen eines der drei Produzenten ins Auge: Brian Eno, der Ex-Roxy Music-Keyboarder. Aber wer offenen Ohres die ersten Töne des instrumentalen Album-Openers „Life in Technicolor“ anhört, wusste eh, dass hier nur einer den Klangteppich gewebt haben konnte. Eno in Reinkultur! Erst mit den ersten Tönen des Cimbaloms (!) beginnt „Viva La Vida…“ den Coldplay-Funken zu zünden. Letzterer erlischt nach rund 45 min. Berg- und Talfahrt mit einer – nun mit dem Gesang von Chris Martin unterlegten – Version des „Life in Technicolor“-Themas. Der Kreis schließt sich – Zufriedenheit macht sich breit.

Das Highlight des Albums ist zweifellos die stark an Pink Floyd erinnernde erste Single „Violet Hill“, die mit ungewohnt brettharten Gitarrensounds aufwartet und diese mit einem schleppenden Pink Floyd-Groove á la „Another Brick in the Wall“ verbindet. Dagegen sieht die zweite Single „Viva la Vida“ eigentlich ziemlich blass aus und beweist erneut, dass Coldplay zur Zeit auch beim Songaufbau auf Schlichtheit setzen.

Fazit: Während die Melodien und musikalischen Einfälle zum Teil wieder ganz wunderbar sind und Coldplays Status als (für mich) zur Zeit beste (große) Band der Welt unangetastet lassen, stellt sich – ähnlich wie beim letzten Arcade Fire-Album – schon die Frage, ob die schlichten Songs tatsächlich alle so beabsichtigt waren, oder ob hier und da auch mal die Idee gefehlt hat. Deswegen gibt’s für Coldplay diesmal einen Punkt weniger, was aber immer noch für eine gigantisch gute V I E R in Kapitälchen reicht.

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