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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

The Patsy Cline Story
Patsy Cline

(1963)
Decca

Patsy Cline - The Patsy Cline Story

Country Classics On Vinyl (II)

von Frank Castenholz  •  14. Mai 2007

Side 1
Heartaches; She`s Got You; Walkin‘ After Midnight; Strange; Leavin‘ on Your Mind; South of the Border (Down Mexico Way)

Side 2
Foolin‘ Around; I Fall to Pieces; A Poor Man’s Roses (Or a Rich Man’s Gold); Tra le la le la Triangle; True Love; Imagine That

Side 3
Back in Baby’s Arms; Crazy; You’re Stronger Than Me; Seven Lonely Days; Sweet Dreams; Your Cheatin‘ Heart

Side 4
San Antonio Rose; Why Can’t He Be You; The Wayward Wind; So Wrong; I Love You So Much It Hurts; You Belong to Me

Man wird nicht umhinkommen, diese Frau irgendwann ins Herz zu schließen. Man höre nur ihre Aufnahmen von „Heartaches“, „She´s Got You“, „Crazy“, „Back In Baby´s Arms“ oder „You Belong To Me“: Diese Lieder haben die Kraft, Erweckungserlebnisse zu bereiten, das eigene Musikverständnis umzukrempeln, Wunden zu heilen oder zu vertiefen, das Sofa bequemer zu machen, das Licht im Wohnzimmer zu dämpfen und das Bier in Rotwein zu verwandeln.

Ich hatte vor 15 Jahren einen ersten Kontakt zu Patsy Cline hergestellt, auf einem schäbigen Raststätten-Tape war sie mit „Walking After Midnight“ (von 1956) und „In Care Of The Blues“ (1957) vertreten, beides direkte, unpolierte Glanzstücke mit dominant brillierendem Gesang und lebhaftem, erdverbundenem Bandarrangement. Neben Songs von Kenny Rogers, Dave Dudley und Lynn Anderson auf dem Tape muteten sie gleichsam archaisch an. Die schmetternde Steel Guitar von „Walking After Midnight“ setzt sich umgehend in das musikalische Gedächtnis fest (jawohl, sie wurde auch für das Titelmotiv des TV-Magazins Polylux ausgeschlachtet). Bei beiden Songs erübrigt sich auch die Definitionsfrage, was man da eigentlich hört: Country, Blues und Swing fließen ineinander. Man wähnt das Erbe von Hank Williams in würdigen Händen.

Auf dem Doppel-Album „The Patsy Cline Story“ ist „Walking After Midnight“ ebenfalls enthalten; allerdings in einer Neueinspielung von 1961 ohne Steel, die neben neben den eingangs erwähnten Geniestreichen kaum auffällt. Die Kompilation erschien kurz nach ihrem Tod, der sicherlich wesentlichen Anteil an ihrem Legendenstatus hat: Gerade 30 Jahre alt, kam sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere – erst zwei Jahre zuvor hatte sie mit „I Fall To Pieces“ ihren ersten No. 1 Hit in den Country Charts – am 5. März 1963 durch einen Flugzeugabsturz ums Leben. Ihr Werk von ca. 100 Studioaufnahmen, die sie zwischen 1955 und 1963 für die Labels Four Star und Decca einsang, ist zwar nicht makellos, aber durchweg hörenswert. Während sie sich zunächst noch in diversen Stilistiken übte – neben recht urtümlichem, derben Country auch in Blues, Rockabilly und Western Swing -, erreichte sie ab 1960 mit neuem Decca-Vertrag, der ihr mehr Freiheit in der Wahl des Repertoires gewährte, den Gipfel ihrer Kunst.

Die hier vorgestellte Kompilation präsentiert die Höhepunkte ihrer Decca-Jahre in 24 Tracks. Ihr langjähriger Produzent Owen Bradley überführte sie zu dieser Zeit vollends in popnahe Sphären: ihre prägnante Stimme wurde in Streicherarrangements gebettet, das Klavier honkytonkt oft nicht mehr, sondern schmückt und perlt, die Jordanaires schließlich geben ihr bestes (und manches Mal auch zu viel davon). Für Cline, die sich zunächst noch gegen diese konzeptionelle Ausrichtung in Richtung Pop wehrte, war dies der Schlüssel zum Durchbruch. Ihre Interpretation von Songs aus der Feder von Hank Cochran, Willie Nelson („Crazy“!), Hank Williams, Bob Wills, Cole Porter, Harlan Howard etc. streift die Unanfechtbarkeit. Während Cline ihre stimmlichen Markenzeichen (das kraftvolle Ausholen, das Hochziehen am Ende der Silbe und das leichte Umschlagen, ohne freilich ins Yodeling zu verfallen) beibehielt, zeigte sie gegenüber ihren frühen Aufnahmen, auf denen die Stimme teils etwas zu kraftvoll gerät, um noch dynamische Nuancen zu ermöglichen, nunmehr eine durchgehend begnadete Souveränität in der Interpretation. Man zerschmilzt förmlich angesichts ihres Nuancenreichtums in der Melodieformung, der Dynamik und des vollendeten Timings; man höre beispielsweise „Heartaches“ und „She´s got You“, wo ihr Einsatz leicht neben dem Takt schwebt und den Songs eine kontinuierliche Spannung verleiht.

Die Songauswahl des Albums ist alles in allem sehr gelungen. Sicherlich wird man so keinen erschöpfenden Eindruck ihres Werks gewinnen können, da ihre frühen Erfolge aus den 50ern, insbesondere die Ur-Version von „Walking After Midnight“, nicht enthalten sind. Das gleicht das Album aber durch Homogenität und qualitative Konstanz aus. Aus der Decca-Zeit sind die essentiellen Songs enthalten; sicherlich, statt dem verzichtbaren „Tra Le La Le Triangle“ (es klingt so naiv, wie sich der Titel anhört) hätten sich „Crazy Arms“, „Always“ oder „Blue Moon Of Kentucky“ gut gemacht. Aber man will ja auch noch ein paar Lücken zum Schließen haben, um das Projekt „Patsy Cline“ nicht schon vorschnell als abgeschlossen betrachten zu müssen.

Schließlich zum technischen: Es handelt sich, wie bereits ausgeführt, nicht um ein reguläres Studioalbum, sondern um eine frühe Kompilation ihrer Decca-Zeit mit einigen zuvor unveröffentlichten Songs. MCA hat das Album 1988 in tadellos remastertem Klang neu aufgelegt. In der Zwischenzeit ist es auch als CD erschienen, aber nur als Import erhältlich (auf CD gibt es freilich auch noch eine Vielzahl anderer Kompilationen, für deren Qualität hier nicht gebürgt werden kann). Als Alternative können sich Puristen bedenkenlos nach den zwei Studioalben „Patsy Cline Showcase“ (1961) und „Sentimentally Yours“ (1962) umsehen, die es ebenfalls in Wiederauflage von MCA gibt.
In Bezug auf die frühen Jahre von Cline lohnt sich schließlich die Suche nach der 4-LP-Box „crazy dreams – the four star years“ (Magnum), die alle (noch vorhandenden) Studioaufnahmen bis 1960 beinhaltet.

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