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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Die Besondere CD: Walter Braunfels - Klavierkonzert Op. 21 / Ariels Gesang Op. 18 / Schottische Phantasie Op. 47

Gute neue Braunfels-Aufnahme aus Großbritannien

von Rainer Aschemeier  •  24. Februar 2014
Katalog-Nr.: CDLX 7304 / EAN: 0765387730420

Wenn es einen Komponisten gab, dem das deutsche Musikleben in der Nachkriegszeit übel mitgespielt hat, dann ist es Walter Braunfels. Mehr zu diesem Komponisten hatte ich bereits unter anderem hier und hier geschrieben.
Der Strauss- und Pfitzner-Zeitgenosse Walter Braunfels hatte ähnlich, wie die zuvor Genannten opulent spätromantische Musik für zumeist riesige Sinfonieorchester geschrieben, die sich selbst hinter den besten Werken Bruckners, Mahlers, Pfitzners und Strauss‘ nicht zu verstecken braucht. Ganz im Gegenteil: Braunfels‘ Musik überrascht immer wieder durch einen faszinierend originellen Personalstil und beeindruckt durch eine überaus bemerkenswerte Handhabung der kompositorischen Mittel. Während nach dem Krieg der jüdischstämmige Braunfels allerdings als Anachronist gehandelt und als solcher fast gänzlich ignoriert wurde, ist eine ähnliche Einschätzung seinen Kollegen Pfitzner und Strauss nicht widerfahren. Dabei waren die – betrachtet man es einmal in der Rückschau – auch nicht wesentlich innovativer als Braunfels. Sie sind nur etwas früher gestorben, waren zugegebenermaßen auch etwas früher geboren worden.

Erfreulich ist es, dass wir nach einigen hervorragenden Einspielungen der letzten Jahre (Rezensionslinks siehe oben) nun eine weitere gute Bereicherung der Braunfels-Diskographie entgegen nehmen können. Diese kommt ausgerechnet aus Großbritannien vom BBC Concert Orchestra. Doch die Provenienz der Aufnahme soll keine Rolle spielen, sofern sie nur gut eingespielt ist.

Dafür sorgt ein erstaunlich qualitativ aufspielendes BBC Concert Orchestra und der österreichische Dirigent Johannes Wildner. Wildner, einst Mitglied der Wiener Philharmoniker, betreibt schon seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Dirigentenlaufbahn, die ihn als Gastdirigenten ans Pult fast aller großen Sinfonieorchester der Welt geführt hat, jedoch nicht unbedingt von strahlkräftigen GMD-Positionen geprägt war. Zwar war er einmal GMD in Recklinghausen und ist nun offenbar erster Gastdirigent des BBC Concert Orchestra, doch echte Weltkarrieren sehen anders aus.

Dabei kann sich Wildners üppige Diskographie durchaus sehen und auch hören lassen. Er hat vor allem für Naxos in den 1990er-Jahren zum Teil ganz ausgezeichnete Aufnahmen vorgelegt, von denen ich persönlich seine Mozart-Interpretationen besonders schätze. Anderenorts ist Wildner allerdings manches auch nicht gelungen, etwa in einer auf allen Ebenen nicht überzeugenden Box mit Schumann-Konzerten, die Wildner mit dem RSO Wien bei RCA in Szene gesetzt hatte.

Für die Braunfels-Einspielung, um die es hier gehen soll, gilt jedoch Entwarnung: Sie ist in der Tat gut. Braunfels‘ elegisches, in luxuriösester Spätromantik schwelgendes Klavierkonzert ist ein veritabler Bolide, ganz nach Braunfels’scher Manier. Das Orchester scheint förmlich vor Grandezza zu platzen. Das Klavier ist hier ein Brillierinstrument in jeder Hinsicht: Üppig girlandierend, selbstbewusst durch das Orchester flanierend, in Teilen irrwitzig virtuos und zum Schluss im Finale auch noch mit einer munteren Melodei auf den Tasten ( for he’s a jolly good fellow ). Das Stück aus dem Jahr 1911 ist allein schon wegen seiner Dimensionen und seiner schieren Strahlkraft beeindruckend. Mich persönlich vermag eher der späte Braunfels zu begeistern, der weniger säkular als vielmehr religiös motivierte Monumentaloratorien schrieb. Doch dieses Klavierkonzert ist schon ein echter „Hinhörer“. Wer da teilnahmslos auf seinem Sessel bleibt, dem ist nicht zu helfen.

Mit „Ariels Gesang“ Op. 18 folgt ein weiteres Werk aus den 1910er-Jahren. Es ist schön, dass nun auch diese Phase von Braunfels‘ Schaffen endlich einmal stärker ausgeleuchtet wird. Die rund zehnminütige sinfonische Dichtung nach Shakespeares „Der Sturm“ ist auf dem vorliegenden Album sicher das Werk, das am wenigsten vordergründig beeindruckt. Auch bei näherer Betrachtung wirkt es etwas blass, zumal, da selbst nach fünf Minuten (wohlgemerkt bei 10 Minuten Spielzeit insgesamt) der Komponist immer noch damit beschäftigt zu sein scheint, in das Stück einzuleiten.

Ein ganz anderes Kaliber – und das hört man schon nach wenigen Sekunden Spielzeit – ist da Braunfels‘ „Schottische Phantasie“ (die ungewöhnliche Schreibweise hat wohl was zu sagen…). Dieses Opus 47 des Komponisten ist im Prinzip ein halbstündiges, einsätziges Bratschenkonzert oder man könnte es alternativ auch als sinfonische Dichtung mit obligater Solobratsche begreifen. Es fällt in die 1930er-Jahre, die eine zaghafte Annäherung des Komponisten an die expressionistische Musiksprache markierten, was neben seinem ursprünglich jüdischen Glauben (Braunfels konvertierte bereits in den 1910er-Jahren nach erschütternden Erfahrungen im Ersten Weltkrieg zum Katholizismus, was aber die Nazis nicht davon abhielt, ihn als „Halbjuden“ sämtlicher Ämter zu entheben) wohl mit dazu beigetragen hat, dass der Komponist bei den Nationalsozialisten in Ungnade fiel.

Die Einspielung auf dem in Deutschland von harmonia mundi vertriebenen Label Dutton Epoch ist in allen Belangen gelungen: Die Solisten Victor Sangiorgio und Sarah-Jane Bradley sind hervorragend, denn sie spielen nicht nur technisch perfekt, sondern auch mit emotionaler Tiefe. Das BBC Concert Orchestra erweist sich als erstaunlich qualitatives Ensemble, das sich vor seinem „großen Bruder“, dem BBC Philharmonic, nicht zu verstecken braucht. Johannes Wildner hatte bei dieser Aufnahme im großen und ganzen seinen guten Tag und hat diese vollgestopften, dichten Braunfelspartituren mit Licht und Transparenz erfüllt. Auch rhythmisch und textural erfahren wir hier eine gelungene Interpretation. Ich bin sehr begeistert!
Der hervorragende Sound der Einspielung tut sein Übriges zum insgesamt tollen Gesamteindruck dieser wertvollen Bereicherung der Braunfels-Diskographie, die sich meinetwegen gern noch weiter ausdehnen darf.

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