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The Listener

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Mission accomplished!

Zum ersten Mal in der Geschichte der Tonaufzeichnung werden die Sinfonien Alfredo Casellas als Gesamtaufnahme verfügbar sein

von Rainer Aschemeier  •  27. Mai 2011

Im Juni 2011, 64 Jahre nach dem Tod des Komponisten, ist es endlich soweit: Mit der Einspielung der drei Sinfonien des Italieners Alfredo Casella wird das Naxos-Label wieder einmal seinem Ruf als Komplettisten- und Entdeckerlabel gerecht werden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Tonaufnahme werden zu diesem Zeitpunkt nämlich alle drei Sinfonien Casellas als Gesamtaufnahme vorliegen.

Jugendlich wirkender Alfredo Casella beim Partiturstudium. Bildquelle: George Grantham Bain Collection (Library of Congress)

Das wurde Zeit! So manch einer hierzulande wird sich fragen: „Was soll das? Wer bitteschön ist Alfredo Casella? Warum solch ein Getöse um diese drei versprengten Sinfonien?“ Und schon darin zeigt sich, dass es eben auch Nachteile hat, wenn man als deutscher Klassikhörer von lauter Beethovens und Hindemiths nur so umzingelt ist: Man vergisst, dass es auch anderswo noch gute Komponisten gegeben hat. Doch im Falle Casella kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Dieser Komponist ist auch ein Politikum!

Zum Einen tobt unter Musikkundigen seit Jahrzehnten ein Streit darüber, ob es tatsächlich gerechtfertigt war, dass bei einem Kompositonswettbewerb anno 1928, bei dem über 640 Kompositionen eingereicht worden waren, Casellas heute annähernd vergessene „Serenata op. 46“ zusammen mit einem von Béla Bartóks unbestrittenen Meisterwerken, dem dritten Streichquartett, der erste Preis zuteil wurde. Autoren von Bartók-Biographien, wie etwa Everett Helm (rororo Bildmonographien), sprachen da im Hinblick auf Casella gern mal etwas bösartig von einem „Kleinmeister“, der ungerechtfertigt mit einem Jahrhundertkünstler wie Bartók in einen Topf geschmissen wurde.

Cover der im Juni 2011 erscheinenden dritten CD der Casella-Reihe bei Naxos. Sie vollendet den Zyklus der drei Sinfonien des italienischen Komponisten.

Zum Anderen ist das Wort „Politikum“ in Sachen Casella leider durchaus wörtlich zu verstehen, denn aus seiner Zuneigung zum faschistischen Mussolini-Regime hatte der italienische Komponist nie einen Hehl gemacht, was viele zeitgenössische Kollegen, darunter Strawinsky und Malipiero gegen ihn aufbrachte und sicherlich die „Rehabilitation“ von Casellas Werk in den Nachkriegsjahren erschwerte, denn wer wollte in den Jahren nach dem Krieg jemanden unterstützen, der in das umstrittene Raster faschistischer Kulturauffassungen passte? Diese Auffassung galt und gilt vielerorts nach wie vor und müsste dringend hinterfragt werden. Denn eine indiskutable politische Meinung ist das Eine, aber das musikalische Werk ist doch etwas ganz Anderes.
Das die kollektive politisch motivierte Casella-Verdammnis eine sehr ungerechtfertigte und einengende Sicht der Dinge war und noch ist, müsste jeder begreifen, der sich mit dessen hochgradig qualitätvollem und faszinierendem Werk auseinandersetzt. Dieses reicht von zauberhaften neoklassischen Suiten wie „Scarlattiana“ und „Paganiniana“ über volksmusikbeeinflusste Stücke wie „La Giara“ bis hin zu opulent besetzten sinfonischen Werken, die im Gegensatz zu den kleiner orchestrierten Stücken noch einen dezidiert spätromantischen Gestus verströmen.
Man müsste zudem auch die Musik der Wagners (Richard ebenso wie Siegfried), Eugen d’Alberts und evtl. sogar Richard Strauss‘ von den Spielplänen nehmen. Doch wer würde das ernsthaft in Erwägung ziehen. Und so ist es an der Zeit, dass man auch den Komponisten Casella einmal wieder näher beleuchtet. Und dies geht am besten, indem man sein Werk nicht nur theoretisch studiert sondern es vor allem praktisch zu Ohren bringt!

www.the-listener.de freut sich jedenfalls auf die Komplettierung des Casella-Zyklus bei Naxos durch die CD mit der Aufnahme der dritten Sinfonie des Italieners, deren Veröffentlichung im Juni bevorsteht. Sobald die CD erschienen ist, wird eine Besprechung in der Rubrik „Reviews“ auf dieser Seite erscheinen. Meine Empfehlung: Nicht verpassen!

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