Nicht nur der Ton macht die Musik ...

PLATTENCOVER IM WANDEL DER ZEIT

VON RAINER ASCHEMEIER

Red Hot Chili Peppers:
In einer Zeit musikalischen Stillstands waren diese Platte und Ihr Cover die pure Provokation und Revolution: Das selbstbetitelte Debüt der „Red Hot Chili Peppers“ von 1984. Das Cover im Comicstil amüsiert noch immer.

Keine Frage: So Manches, was als Gemälde in den Museen hängt, hat auch das ein oder andere LP-Cover beeinflusst. Manchmal haben sogar die Stargemälde der Gallerien daselbst Albumcover geziert (man denke da z.B. an Deep Purple's selbstbetiteltes Album mit einem Gemälde von Hieronymus Bosch oder an Velvet Underground mit Andy Warhols berühmtem Bananen-Cover).

Plattencover von der Kunst inspiriert, aber Kunst inspiriert vom Plattencover? Durchaus kein abwegiger Gedanke. Andy Warhol machte es vor: Involvierte er die Band Velvet Underground mit ihren charismatischen Stars Lou Reed und Nico doch in ein allumfassendes Kunstkonzept, wo musikalische Darbietung, textliche Inhalte und LP-Cover zu einer Einheit verschmolzen und ein neuartiges Gesamtkunstwerk bildeten: Die Pop-Art. Sicher, Pop-Art war 1967, als das Album „The Velvet Underground & Nico“ das Licht der Welt erblickte, schon etabliert. Die Suppendosen waren gemalt, Marylin war auch schon schön bunt. Doch war das Velvet Underground Debüt wohl das erste Pop-Musik-Album welches durch den weitreichenden Einfluss eines Künstlers (Warhol produzierte sogar das Album, ebenso finanzierte er die folgende US-Tournee) zum Gesamtkunstwerk erhoben wurde. Im Museum of Modern Arts in New York steht das Bananencover noch heute und erinnert so manch wehmütigen Althippie an seinen ersten Charterflug via LSD-Airlines.

PINK FLOYD – Animals:
Das britische Künstlerkollektiv “Hipgnosis” gestaltete fast alle Cover der großen Pink Floyd-Alben. „Animals“ von 1977 war ohne Zweifel ein Meistwerk. Das Cover von ist ein retuschiertes Foto, und das Schwein zwischen den Schornsteinen war ein riesiger aufblasbarer Ballon, der wenige Tage nach seiner Installation vom Wind fortgerissen wurde. Es blieb bis heute verschollen.

Da lohnt sich doch ein Blick auch auf andere LPs und CDs! Zwar war nicht immer die ganz große Kunst gefragt, und in den meisten Fällen haben Plattencover immer noch nicht mehr zu bieten als buntes Farbenspiel, damit man die einzelnen Alben einer Band auseinander halten kann. Doch im Laufe der Zeit etablierten sich einige Covergestalter, die nicht Alltägliches auf die Sleeves der Stars zauberten. An vorderster Front gehört hier das Künstlerkollektiv Hipgnosis genannt. Ihre Cover zierten seit Ende der 60-er bis in die frühen Achtziger einige der wichtigsten Alben aller Zeiten. Besonders ihre Pink Floyd-Cover machten sie weltberühmt, so z.B. die Artworks für „Dark Side Of The Moon“, „Atom Heart Mother“, „Wish You Were Here“, „Meddle“, „Animals“, etc.. Nicht vergessen sollte man aber auch die interessanten Hipgnosis-Arbeiten für Black Sabbath („Never Say Die“ und „Technical Ecstasy“), Nazareth („Close Enough For Rock & Roll“), Rainbow („Difficult To Cure“) und insbesondere Led Zeppelin („Presence“, „Houses Of The Holy“, „In Through The Out Door“ und das Soundtrack-Album zu „The Song Remains The Same“). Hipgnosis gehörten zu den ersten, die in LP-Covern mehr sahen als nur unvermeidbares Beiwerk. Hipgnosis griffen gezielt das Flair und die Stimmung einer Veröffentlichung auf und produzierten mit ihren oft kühl, provozierend, nicht selten sogar verstörend wirkenden Albumcovern eigenständige Kunstwerke, die sicherlich auch ohne die Verbindung zu den Charterfolgen ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten.

Doch wie alles Irdische waren Hipgnosis auch nicht mehr als vergänglich. Der Stil der Truppe setzte allerdings bis in die heutige Zeit fort. Der kreative Hipgnosis-Kopf, der Fotokünstler Storm Thorgerson, gehört heute wieder zu den gefragtesten Covergestaltern in der Szene. Als „Solokünstler“ widmet sich das ehemalige Hipgnosis-Mitglied heute den unterschiedlichsten Veröffentlichungen, so z.B. den CD-Covern von Pink Floyd („A Momentary Lapse Of Reason“ &„The Division Bell“), Bruce Dickinson („Skunk Works“) und ganz aktuell Audioslave („Audioslave“). Der Hipgnosis-Stil lebt weiter und bleibt bis heute wohl das Aufsehenerregendste, was die Kunst des Coverartworks je hervorgebracht hat.

IRON MAIDEN – Killers:
Bestimmt die Motivwahl die künstlerische Qualität eines Bildes? Geschmacksfrage... Derek Riggs jedenfalls wurde mit Iron Maidens Monster-Maskottchen „Eddie“ über Nacht berühmt. Zurecht, denn Detailreichtum und Ausführung seiner Coverartworks sind bis heute bestechend! Mein Lieblingscover: „Killers“ von 1981.

Eine essentiell wichtige Rolle spielt das Plattencover seit jeher im Rock- und Heavy Metal. Die rebellische Attitüde der Musik verlangt nach adäquater grafischer Umsetzung. Hard'n'Heavy wurde in den 1980-ern auch und vor allem durch die Albumcover zur eigenständigen Subkultur, sogar zur Lebenseinstellung. Die maßgeblichen Coverartworks aus dem Rock- und Metalsektor aufzuzählen würde deswegen eines eigenen Artikels bedürfen, doch für eine kurze Vorstellung der wichtigsten Künstler reicht der Platz:

Der Erste, der mit seinen Horror-/Fantasy-Zeichnungen für Heavy Metal LP-Cover Furore machte, war der noch heute von seinen Fans abgöttisch verehrte Derek Riggs. Nahezu sämtliche Albumcover von Iron Maiden gehen auf sein Konto, darüber hinaus noch einige Arbeiten für Gamma Ray, Bruce Dickinson und Andere. Wer kennt es nicht, das grausige Iron Maiden-Maskottchen „Eddie“... in unzähligen Variationen zierte es zunächst Demos, dann Maxis, dann LPs, später T-Shirts und zum Schluss vom Bierdeckel bis hin zum Fanschal alles was das Herz des Iron Maiden-Fans begehrt. Keine Frage: Derek Riggs gehört nicht nur zu den besten, sondern auch zu den einfluss- und erfolgreichsten Coverzeichnern seiner Generation.

TIAMAT - Wildhoney:
Ein Künstlerleben für harten Rock: Kristian Wahlin zeichnete für zahllose Metalbands. 1994 zierte sein bisher schönstes Artwork das famose „Wildhoney“-Album von Tiamat.

Nachdem in den frühen Neunzigern traditionelle Stilrichtungen von Rock und Metal nicht sehr gefragt waren, war es spätestens seit 1995 der Gothicmetal- und später dann der Progressive- und True Metal-Boom, der auch jungen Künstlern wieder ein Forum eröffnete. Die beiden auffälligsten Figuren dieser Zeit waren Andreas Marschall (gestaltete nahezu alle Cover für Blind Guardian, sowie Einiges für Grinder, Raven, Helloween, etc.) und Christian Wahlin. Der junge Schwede Wahlin eroberte in kürzester Zeit Fanherzen mit absolut makellos gezeichneten und atmosphärisch dichten Artworks, die sich keiner Sparte zuordnen ließen. Mal zauberte er nordische Fantasylandschaften hervor (s. Bathory - „Blood On Ice“), ab und an auch Horrorzeugs (Entombed, Fleshcrawl). Besonders beeindruckend sind jedoch seine atmosphärisch dichten Cover, die sich fern jeder Stileinordnung in den ureigensten Wahlin'schen Schaffenssphären bewegen. Diese Arbeiten, in denen er Elemente aus Surrealismus und Expressionismus aufgreift zählen zu seinen Besten. Darunter befinden sich fabelhafte Artworks für Tiamat („Wildhoney“), Cemetary („Last Confessions“, „Sundown“) und Divine Sin („Thirteen“). Neben Marschall und Wahlin gehören noch die Künstler Rainer Kallwitz, Eric Phillipe (beide aus der Airbrushszene) sowie Michael Wheelan zu den etablierten Gestaltern von Coverartworks aus dem Hard'n'Heavy-Sektor. Hierbei ist übrigens auch wieder eine Auffälligkeit zu beobachten: Während Riggs, Marschall, Kallwitz, Wahlin und Phillipe ihre Bilder als Auftrag speziell für ein Cover herstellen, ist Michael Wheelan ein in den USA hoch angesehener Maler, ein Surrealist, der von hochrangigen Kritikern mit Salvador Dali verglichen wird und dessen Gemälde bei internationalen Vernissagen Höchstpreise erzielen (Einen eigenen Eindruck verschaffe man sich auf seiner Homepage: www.michaelwheelan.com). Auf Wheelans Dienste griffen u.a. Meatloaf und Cirith Ungol zurück. Aber seine Bilder zierten auch so manche US-Ausgabe von J.R.R. Tolkiens „Lord Of The Rings“-Zyklus.

Lassen wir den harten Rock nun links liegen und widmen uns dem Jazz: Jazz und Coverartwork, da kommt einem viel in den Sinn. Vor allem jedoch die ausgezeichneten LP-Cover des Labels CTI, gegründet von Verve-Haus- und Hofproduzent Creed Taylor. CTI hatten nicht nur einige der besten und bestverkauften Jazzreleases der Sechziger und Siebziger zu verbuchen. Nein, im Hause CTI zählte auch der Gesamteindruck. Man scheute lange Zeit keine Kosten einige der besten Fotografen und Fotokünstler der Welt für die Cover von CTI zu engagieren. Ergebnisse dieser Symbiose waren so legendäre und bekannte Cover wie Antonio Carlos Jobims Meilenstein „Wave“, das erotische Cover zu Stanley Turrentines „Sugar“, die zauberhaft tropisch-exotisch wirkenden Albumcover des Tamba Trio und nicht zuletzt die vorzügliche Fotografie des ersten Deodato-Albums „Prelude“, welches 1972/-73 ein Megaseller wurde und von dem erzählt wird, es sei das bis heute meistverkaufte Jazzalbum aller Zeiten (was allerdings auch häufig von Herbie Hancocks Album „Headhunters“ behauptet wird, was wohl auch wahrscheinlicher ist).

DEODATO – Prelude:
Creed Taylor’s Label CTI Records legte Wert auf gute Musik und gute LP-Cover. Wenn auch die Musik von Eumir Deodatos Debütalbum (1972) heute eher zum Schmunzeln anregt als zum Genießen, bleibt „Prelude“ doch eine der wohl besten Coverfotografien im Jazzsektor.

Auffällig ist jedenfalls, dass sich im Jazz zwei Welten begegnen: Einerseits gab und gibt es Labels, die sich fast gänzlich auf die adäquate Präsentation der Musik konzentrieren. Dabei reicht es dann oft nicht mehr für grafisch ansprechendes Coverartwork. Das ECM-Label z.B. setzt seit knapp 20 Jahren auf seine nüchternen, allem grafischen Ballast entsagenden Cover. Anfangs möglicherweise aus Kostengründen, ist diese Vorgehensweise mittlerweile hohe Firmenpolitik: Nichts soll zwischen Musik und Hörer stehen, kein optisches Beiwerk soll den Charakter der Musik verfälscht darstellen. Andere Labels wiederum arbeiten schlicht schlampig, unbeholfen, fast schon bewusst schlecht. Motto: Gute Plattencover kosten Geld, Geld ausgeben ist aber bei kleinen Auflagen immer schlecht und mindert den Gewinn. Das kann sich heute niemand mehr leisten, schon lange nicht im Jazz.

Am anderen Ende der Fahnenstange gibt es Labels wie CTI, Blue Note, Verve und auch (zumindest teilweise) Columbia Jazz, die insbesondere in den 1970-ern einige der aufsehenerregendsten LP-Cover aller Zeiten auf die Menschheit losließen. Man denke nur an Herbie Hancocks „Man Child“, Weather Reports „Black Market“, Miles Davis' „Bitches Brew“, Eric Gale's „Ginseng Woman“ oder Willie Bobos „New Dimension“.

Natürlich könnte man noch seitenweise schreiben, loben, kritisieren, lamentieren...

Am Ende bleibt jedoch eine Erkenntnis: Nicht nur der Ton macht die Musik. Und: Ein gut gemachtes Cover schützt vor Raubkopie! Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung und hoffentlich auch die der meisten Leser unserer Website...

 

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Tip

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Galerie


NICK DRAKE
Pink Moon

  


PINK FLOYD
A Momentary Lapse Of Reason

 


FREE
Free

 

ERIC GALE
Ginseng Woman

 


HERBIE HANCOCK
Thrust

 


ICEHOUSE
Primitive Man

 


JOBIM
Wave

 


STEVE KHAN
The Blue Man

 


MAGNUM
Chase The Dragon

 


SANTANA
Borboletta