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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. A. Hasse - Didone abbandonata
Hofkapelle München - M. Hofstetter; diverse Solisten

(2013)
Naxos

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Johann Adolph Hasse - Didone abbandonata

Es rumpelt und pumpelt - na und!?

von Rainer Aschemeier  •  20. Februar 2013
Katalog-Nr.: 8.660323-25 / EAN: 730099032377

Johann Adolph Hasse gehört heute zu den Komponisten, an denen sich höchstens noch Barock-Kenner und Opern-Aficionados erfreuen. Nur zögerlich treten sein Name und seine Musik ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Dabei war der 1699 geborene Hamburger einer der „Superstars“ seiner Zeit: In ganz Europa liefen seine Opern. Selbst die geographisch vergleichsweise abgelegenen Ritter vom Malteserorden konnten sich in ihrem stolzen Teatro Manoel für ihn begeistern, was dazu führte, dass noch heute Opern von Hasse in diesem wunderschönen Theater – angeblich das drittälteste durchgängig bespielte Theater der Welt – in Valletta, der Hauptstadt Maltas, regelmäßig auf dem Spielplan stehen.

Was die Malteser haben, haben wir in Deutschland noch lange nicht – nämlich eine lang anhaltende, regelmäßige Hasse-Rezeption. Und so ist es eine besondere Freude, dass eine der am seltensten gegebenen Opern des Barockkomponisten in einer Kooperation zwischen BR Klassik und Naxos als 3 CD-Box nun für jedermann zu haben ist.
Librettist der Oper „Didone abbandonata“ war niemand Geringerer als der führende Texter des Barockzeitalters, nämlich Pietro Metastasio.
Er war eng mit Hasse befreundet, der in der Art einer Odyssee durch halb Europa von Hamburg ausgehend nach Dresden, Warschau, Wien und schließlich nach Italien gelangt war. Dort wurde er, in einer Zeit, die nun wahrlich nicht arm an namhafter Konkurrenz war, zu Italiens populärstem Opernkomponisten, was seinen damaligen europaweiten Ruhm nicht begründete (das hatte er schon in Dresden erledigt), sondern vielmehr final untermauerte.

2011 also gelangte diese nur extrem selten gespielte Oper auf die Bühne des Münchner Prinzregententheaters und traf dort auf eine Idealbesetzung aus Sängern und Instrumentalisten, allerdings auch auf eine sehr umstrittene Inszenierung, die nicht nur durch ihren „Sex & Crime“-Ansatz auf sich aufmerksam machte, sondern auch durch die Tatsache, dass sie den Sängern sehr viel an körperlichem Einsatz abverlangte.
Was wir hier hören ist also der Livemitschnitt dieser Aufführung – mit allen Vor- und Nachteilen: Relativ laute Bühnengeräusche, die (glücklicherweise) nicht aus der Aufführung „herausgefiltert“ wurden, Sänger, die hier und da schon einmal Probleme haben, weil ihnen ihr Bühnenschauspiel das Singen schwer macht, aber eben auch eine mitreißende und sehr schwungvolle Liveatmosphäre.

Ich muss sagen, dass ich diese Operndarbietung wirklich sehr sehr gut finde, in Anbetracht der Entstehungssituation. Handelt es sich doch offensichtlich um einen im positiven Sinne ungeschönten, ehrlichen Livemitschnitt in einer übrigens hervorragenden Tonqualität. Das es da und dort etwas rumpelt, verschmerzt der Hörer leicht, wenn die Atmosphäre und die Lebendigkeit der Interpretation so überzeugend rüberkommen wie hier. Diese Oper wird hier überwiegend 1A gesungen und durchgängig 1A musiziert (die Hofkapelle München unter Leitung von Michael Hofstetter ist eine Wucht!).

Es ist mir also ziemlich unverständlich, warum diese CD-Box sich schon kurz nach ihrer Veröffentlichung zu einer der am meisten und am kontroversesten diskutierten der letzten Jahre entwickelt hat. Sollte man sich nicht einfach nur freuen, dass eine solch rare Oper in einer so qualitätvollen Ersteinspielung endlich auf Tonträger vorliegt – und das noch zum sehr günstigen Naxos-Preis?

Nein, das kann der deutsche Opernfan nicht. Da rumpelt und klatscht es ja andauernd. Und überhaupt: Wurden da nicht Streichungen vorgenommen? Angeblich fehlen ein paar Arien. Nun, wer hier mosert, sollte sich vor Augen führen, dass die hier zu hörende Liveaufnahme nicht weniger als 2:43 Stunden umfasst. Rechnet man in der Livesituation noch eine Pause hinzu, ist das Publikum gute drei Stunden in der Aufführung gewesen.
Irre ich mich oder sind es gerade die Leute, die im Internet kleine Streichungen beklagen, die dann vor Ort im Konzertsaal ihrem Unmut über unendlich lange Aufführungen Luft verschaffen?
Außerdem hat der Bayerische Rundfunk ja seine festgelegten Sendezeiten (man führe sich vor Augen, dass diese Aufnahme zuerst als Live-Übertragung im Radio lief).

Okay, angeblich ist die Aufführung wenige Wochen nach der hier zu hörenden Liveübertragung von BR Klassik auch in einer weniger rumpelnden und vollständigeren konzertanten Aufführung auf Radio France übertragen worden. Was aber nun, wenn der deutsche Naxos-Ableger zufällig eine Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk hat und nicht mit Radio France? Wäre dort die Klangqualität ebenso gut gewesen, wie sie hier ist?
Sollte man sich nicht einfach freuen können, dass es diese Oper nun überhaupt auf CD gibt? Und das – ich möchte es noch einmal betonen – mit einem hervorragenden Sängerensemble (darunter ausgesprochene Stars der Alte-Musik-Szene, wie etwa Counter-Tenor Valer Barna-Sabadus) und einem Orchester, das hier spielt, als ginge es um seine Ehre!

Als Fazit bleibt, dass man es heutzutage niemandem recht machen kann. Ich bin der Meinung:
Solche durchwegs großartigen Aufnahmen, deren leichte Mängel der erfrischend ehrlichen Wiedergabe einer Livesituation geschuldet sind, müssten wir mehr haben – nicht weniger!

Und eine solch mitreißende Bühnenperformance finde ich deutlich spannender, als eine konzertante Aufführung, die womöglich etwas weniger „rumpelig“ klingt, aber dadurch eben auch wesentlich weniger lebendig ist.

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