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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

R. Schumann - Klaviersonate Op. 22, Études Symphoniques, Faschings-schwank aus Wien
Ottavia Maria Maceratini (Klavier)

(2012)
ALDILÀ Records

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Robert Schumann - Klaviersonate Op. 22, Études Symphoniques Op. 13 & Faschingsschwank aus Wien Op. 26

Beeindruckender Nachfolger zu einem beeindruckenden Debüt

von Rainer Aschemeier  •  4. Januar 2013
Katalog-Nr.: ARCD 002 / EAN: 4250726300021

Die italienische Pianistin Ottavia Maria Maceratini gehört zu den jungen, aufstrebenden Künstlerinnen und zeigte bereits mit ihrem Debütalbum „One Cut“ eindrucksvollen Mut. Wie der Titel des Albums verrät, hatte sie anno 2011 ein CD-Debüt vorgelegt, bei dem sämtliche Titel im Studio live als „First Take“ eingespielt wurden. Auf dem gesamten Album gab es nur einen einzigen Schnitt (daher der Albumname „One Cut“).
Dass so ein Vorgehen in unserer Zeit, in der aufwändigste Nachbearbeitungs- und Schnittverfahren zu fast jeder neuen Klassik-CD wie selbstverständlich dazugehören überhaupt noch in Betracht gezogen wird, nötigte einem schon Respekt ab.

Cover von Ottavia Maria Maceratinis Debütalbum "One Cut" aus dem Jahr 2011

Hatte das anno 2011 aber vielleicht auch hörbare Konsequenzen? Der Vortrag schien etwas angespannt, gelegentlich schien das Bemühen zur unbedingten Korrektheit förmlich mit Händen greifbar. Maceratinis Beethoven wirkte sehr zart und perlend, ihr Mozart hingegen etwas trocken und karg, ihr Schumann ließ schon beim Debüt aufhorchen und ihr Chopin strahlte jene erotische Coolness aus, die einem die Nackenhaare in Bewegung bringt.
Alles in allem war ihr Debüt also ein beeindruckendes Statement, aber es polarisierte auch: Während einige Rezensenten und selbst versierte Star-Pianisten Maceratinis Debüt in selten zu hörender Ergriffenheit lobten, gab es auch andere, die Maceratinis Debütaufnahme differenzierter, kritischer wahrnahmen.

2012 legte Ottavia Maria Maceratini ein neues Album vor, das Werke Robert Schumanns auf recht unkonventionelle Weise Stücken von Jean Philippe Rameau und Maurice Ravel gegenüberstellt.
Meine Meinung: Die neue CD hat ein feiner aufgelöstes, insgesamt luzideres Klangbild, das Programm wirkt schlüssiger, als die etwas kunterbunte Recital-Mischung auf dem 2011-er Debüt, der Booklet-Text von Dirigent und Musikjournalist Christoph Schlüren ist ein gleichermaßen informativer wie sprachgewandter Lesegenuss und die Pianistin selbst wirkt künstlerisch noch ausgereifter, ist mit Schumanns Musik spürbar in ihrem Element.

Dabei schnellen erst einmal die Augenbrauen nach oben, wenn man sich die Tracklist ansieht: Klaviersonate Op. 22, Études Symphoniques Op. 13, Faschingsschwank aus Wien Op. 26… wow… technisch anspruchsvoller lässt sich eine Schumann-CD kaum denken.
Maceratini, das muss man gleich an den Beginn stellen, hat eine meisterhafte Technik. Sie spielt ihren Schumann extrem präzise und klingt auch in den kritischen Passagen bemerkenswert unbeschwert. Dabei gelingt ihr die für Schumann so essenzielle Symbiose aus makelloser Technik und emotional reichem lyrischen Zugriff.

Und somit darf man feststellen, dass Maceratinis Label ALDILÁ (gehört ebenfalls zur Fraktion „jung und aufstrebend“) es diesmal völlig richtig gemacht hat, indem es die junge Italienerin auf ihrem zweiten Album den Komponisten aufführen ließ, dessen Musik ihr einfach irgendwie in den Fingern steckt.
Ihr Schumann-Vortrag ist in jeder Hinsicht sehr beeindruckend, und man darf dieses Album getrost auch mal mit den ganz Großen der Zunft vergleichen, wobei es durchaus keine schlechte Figur macht. Ganz im Gegenteil.

Besonders gut gefällt mir Maceratinis Deutung des „Faschingsschwanks aus Wien“, den sie empfindsamer und zurückhaltender darbietet, als das Gros der sonstigen Schumann-Interpreten. Der Lohn für die Zurückhaltung ist eine sonst eher selten gehörte Leichtigkeit dieses spieltechnisch ja so irrwitzig anspruchsvollen Stücks. Maceratini versteht es zudem, Teilen von Schumanns Opus 26 einen beinahe volkstümlich zu nennenden musikantischen Anstrich zu verpassen. Das führt dazu, dass wir es hier tatsächlich einmal mit einem „Schwank“ im engeren Sinne zu tun haben, mit einem Werk, das neben seinem Kunstanspruch eben auch ein Stück Lebensfreude versprüht.
Ich zumindest habe auf so eine Deutung lange schon gewartet. Sie erscheint mir deutlich schlüssiger als die vielen, vielen bierernsten Aufnahmen, die es von diesem Stück zuhauf am Markt gibt.
Maceratini vermag es, Schumanns Klaviermusik mit Leben zu erfüllen, seine unbestreibar vorhandene Programmatik auf sehr stilvolle, dezente Weise zu berücksichtigen, ohne diesen Aspekt aber überzubetonen. Das zeugt von einer bemerkenswerten interpretatorischen Vision, von der sich manch anderer Jungstar mal eine Scheibe abschneiden könnte.

Auch Maceratinis Rameau hat Klasse. Die Vogellautimitationen des Stücks „Le rappel des oiseaux“ nimmt die Pianistin nicht zum Anlass, um sich in romantisierender Programmatik zu verlieren. Ihr Vortrag erscheint historisch informiert und erfreulich nüchtern. Dabei kommt hier erneut ihr „perlender“ Stil zum Tragen, der einem Rameaus Notengirlanden förmlich bildhaft vor Augen führt.

Mit Vogellauten hat es Maceratini auch in Ravels „Oiseaux tristes“ aus dessen „Miroirs“-Zyklus zu tun. Es ist dies allerdings eine Aufnahme, die ich persönlich nicht in jeder Hinsicht überzeugend finde. Maceratini kommt nach meinem Empfinden nicht gut mit dem fahlen, zur Gleichförmigkeit neigenden Stück zurecht, gerät vor allem zu Beginn etwas in Gefahr, die langen Pedaleinsätze in einen undifferenzierten Klangrausch münden zu lassen. Auch das träge, schleppende Tempo, das Ravel für dieses Stück vorgesehen hat, liegt ihr nicht unbedingt, auch (oder gerade weil?) diese Aufnahme es sich zur Aufgabe gestellt hat, Ravels Notentext so getreu wie nur eben möglich Folge zu leisten. Könnte eben das der Fehler gewesen sein?
Wie gut den „traurigen Vögeln“ eine auch nur zaghafte Prise Rubato zu Gesicht steht, zeigen andere Einspielungen, wie etwa die des ebenfalls italienischen Virtuosen Michelangelo Carbonara (2008, Brilliant Classics) – um nur ein mögliches Beispiel zu nennen.

Auf dieser CD spielt aber nun einmal Robert Schumann die Hauptrolle. Und in dieser Fraktion gehört Ottavia Maria Maceratini mit zu den in überraschend hohem Ausmaß überzeugenden Interpret/innen.
Der Aufnahmeklang ist, wie gesagt, besser als jener des 2011-er Debüts, gleichwohl ist etwas Trittschall zu hören. Ansonsten ist das eine lupenreine, sehr natürliche Klaviermusikaufnahme, die auch etwas anspruchsvollere HiFi-Genießer sicher nicht enttäuschen wird.

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