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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

F. Mendelssohn Bartholdy - Violinkonzerte / Hebriden-Ouvertüre
Orchestra of the Age of Enlightenment - V. Jurowski / A. Ibragimova (Violine)

(2012)
Hyperion / Vertrieb: codaex

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Felix Mendelssohn Bartholdy - Violinkonzerte & Hebriden-Ouvertüre

Ein Gastbeitrag des Musik-Blog-Veteranen Sal Pichireddu

von Salvatore Pichireddu  •  28. November 2012
Katalog-Nr.: CDA 67795 / EAN: 0034571177953

Der ab dem 19. Jahrhundert viel strapazierte Begriff vom ‘Wunderkind’ hat letzten Endes nur in ganz wenigen Fällen das gehalten, was man sich davon versprochen hat. Von den Medien zur hochinteressanten (und in gewisser Weise auch zur kuriosen) Figur des öffentlichen Lebens stilisiert, zerbrechen junge Genies oft unter dem Druck der Öffentlichkeit.

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) wurde in seiner Kindheit als Wunderkind und »neuer Mozart«, ja sogar als »Erbe Mozarts« gefeiert, ein Attribut, das gleich im doppelten Sinne zu passen schien: Zum einen war der junge Mendelssohn ein ebenso erstaunlicher Musiker, wie der junge Mozart, zum anderen erinnerte die unbeschwerte Leichtigkeit der Frühwerke Mendelssohns an den heiteren Grundton früher Mozart-Stücke. Diese Stigmatisierung als Mozart-Nachfolger oder, negativer ausgedrückt, als Epigone, sollte lange Zeit die objektive Rezeption der Musik Mendelssohns erschweren. Heute wissen wir natürlich, dass Mendelssohn zu den ganz großen Komponisten der Romantik zu zählen ist.

Die junge russisch-englische Violinistin Alina Ibragimova gehört unbestritten zu den hellsten aufsteigenden Sternen am Klassikmarkt, und ich werde mich hüten sie als ‘ehemaliges Wunderkind’ zu bezeichnen, auch wenn schon die kleine, außergewöhnlich talentierte 6-Jährige Alina mit dem Orchester des Boschoi-Theaters auftrat. Auf ihrer neuen CD für Hyperion Records hat sie das bekannte Violinkonzert in e-Moll, op. 64 und das Violinkonzert in d-Moll, MWV O 3 des damals 13-jährigen Mendelssohn aufgenommen. Begleitet wird sie vom renommierten Originalinstrumente-Ensemble Orchestra of the Age of Enlightenment unter der Leitung von Vladimir Jurowski. Die beiden Konzerte sind auf der CD durch eine Einspielung der Konzertouvertüre Die Hebriden, op. 26 getrennt.

Nun ist eine Aufnahme von Mendelssohns Violinkonzert in e-Moll eigentliche keine Besonderheit, gehört das Werk doch zu den populärsten Violinkonzerten überhaupt, das sich seit Generationen in den Konzertsälen und Aufnahmestudios ungebrochener Beliebtheit erfreut. Was diese CD so außergewöhnlich macht ist zum einen die Aufnahme des frühen, von Mendelssohn verworfenen (aber dennoch durchaus hörenswerten) Violinkonzerts in d-Moll, zum anderen sind es (natürlich) die erstklassigen Interpreten selbst, die aus dem ‘Standardrepertoire’ ein aufregendes Klangerlebnis machen.

Das quasi vibratolose Spiel der Streicher des (wie immer rundum begeisternden) Orchestra of the Age of Enlightenment harmoniert hervorragend mit Alina Ibragimovas subtilen, das Vibrato spärlich, aber effektvoll einsetzenden, überaus geschmeidigen Stil. Die dynamischen Vorgaben Mendelssohns wurden sehr präzise umgesetzt und nicht selten stockt einem beim Zuhören regelrecht der Atem, wenn jede kleinste Nuance eines Pianissimo (dank der exzellenten Aufnahmetechnik) erfahrbar gemacht wird. So viel Klang bei so geringer Lautstärke hört man seltenst. Ibragimova glänzt als sensible Interpretin der langsamen, kontemplativen Sätze ebenso wie als souveräne Virtuosin der furiosesten Tempi, die Jurowski ihr und seinem Orchester abverlangt, freilich ohne die Solistin oder den Weltklasse-Klangkörper auch nur annähernd in Bedrängnis zu bringen.

So tänzerisch, so leicht, so natürlich muss man Mendelssohn spielen, damit seine Musik ihre gesamte Faszination verbreiten kann: Ich habe eine neue Lieblingsaufnahme des e-Moll-Konzerts!

Das ‘CD-Intermezzo’ mit der Hebriden-Konzertouvertüre und das abschließenden d-Moll-Konzert sind alles andere als bloßer Füllstoff: Sie runden mit hochklassigen Interpretationen auf demselben Niveau wie beim e-Moll-Konzert eine schlichtweg nicht besser machbare Mendelssohn-CD ab.
Auch wenn ich normalerweise nicht dafür bin, auf Äußerlichkeiten bei Musikern zu achten, so möchte ich dennoch ausnahmsweise explizit auf das wundervolle Coverfoto verweisen: Alina Ibragimova spielt auf dieser CD so jugendlich, so frisch, so stolz, so selbstbewusst und so wunderschön, wie sie auf diesem Bild aussieht.

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